Montag, 2. Oktober 2017

Warum steigen die Löhne nicht?


Die Arbeitsmärkte in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben sich in den vergangenen drei Jahren erheblich erholt. 

Trotz der sinkenden Arbeitslosenquoten bleibt aber das Lohnwachstum gedämpft. Warum führt die höhere Nachfrage nach Arbeitnehmern nicht zu einem Anstieg der Löhne?

Das ist die Frage, auf die der IWF im Abschnitt 2 des kürzlich vorgelegten „World Economic Outlook, Oct 2017” eine Antwort sucht.

Die Verfasser der Analyse betonen, dass es nicht nur aus makroökonomischer Sicht wichtig ist, die Abkopplung zwischen Arbeitslosigkeit und Löhne zu verstehen, sondern auch aus der Perspektive, die Einkommensungleichheit zu reduzieren und die Arbeitsplatzsicherheit zu verbessern.

Es gibt dabei sowohl zyklische als auch strukturelle Faktoren, die zu nennen sind:

Ein wichtiger zyklischer Faktor sei die Unterauslastung der Arbeitsmärkte („labor market slack“). Das Angebot an Arbeit übersteige immer noch die Nachfrage nach Arbeit, so der IWF.

Der Bericht unterstreicht insbesondere, dass es wichtig ist, zu erkennen, dass die Arbeitslosenquote nicht mehr so bezeichnend für den Arbeitsmarkt ist, wie sie bisher gewesen ist.

Die Arbeitsstunden beispielsweise seien weiter rückläufig, was den Trend, der vor der Great Recession begonnen hat, verlängere. 


Die Nominallöhne in nahezu allen fortgeschrittenen Volkswirtschaften wachsen mit langsamerem Tempo als vor der Zeit der Great Recession, Graph: IMF


Vor allem sei in vielen Ländern höhere Raten der unfreiwilligen Teilzeitbeschäftigung zu beobachten. Damit sind diejenigen Arbeitnehmer gemeint, die pro Woche weniger als 30 Stunden arbeiten, aber an und für sich länger arbeiten würden.

Auch der Anteil der befristeten Arbeitsverträge nehme zu. Diese Entwicklungen spiegeln teilweise die anhaltend schwache Nachfrage nach Arbeitskräften wider, erklärt der IWF.

Das reflektiert im Grunde genommen die schwache Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft im Allgemeinen.

Ein weiterer wichtiger Faktor für das schwache Lohnwachstum ist die weithin anerkannte Verlangsamung des Wachstums der Trendproduktivität. 

Die anhaltende Produktivitätsschwäche pro geleistete Arbeitsstunde senke laut IWF die Rentabilität der Unternehmen und laste damit auf dem Lohnwachstum.

Die Automatisierung hingegen leiste seit der Great Recession keinen grossen Beitrag zu der gedämpften Lohndynamik.

Es sei daher unwahrscheinlich, das Lohnwachstum voranzutreiben, solange die Flaute (Unterauslastung) am Arbeitsmarkt bestehen bleibe. Erforderlich seien deswegen akkommodierende Massnahmen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Der IWF bekräftigt immer wieder mit Nachdruck die unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung, die das Lohnwachstum belaste.

Beispiele für mögliche Massnahmen sind laut IWF die Ausdehnung der Mindestlohn-Deckung, die z.B. Teilzeitbeschäftigte nicht erfasst. Die Sicherstellung der Parität mit Vollzeitbeschäftigten würde die Fertigkeiten und Kompetenzen der betroffenen Menschen auf lange Sicht verbessern.


Trotz des Beschäftigungswachstums sind die Stunden pro Arbeitnehmer weiter rückläufig und die unfreiwillige Teilzeitbeschäftigung hat sich in mehr als zwei Drittel der Länder erhöht, Graph: IMF

Bemerkenswert ist, dass die Vorschläge des IWF zur Verbesserung des Arbeitsmarktes kaum im Einklang mit „Visionen für Europa“ von Emmanuel Macron, dem französischen Staatspräsidenten, die er in seiner Grundsatzrede neulich vorgestellt hat, stehen.

Macron hat nämlich weder von Chancengleichheit noch von Solidarität gesprochen, geschweige denn von der Verstärkung des sozialen Netzes.

Er träumt stattdessen von einem Europa mit einem gemeinsamen Verteidigungsbudget.

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