Samstag, 23. Juli 2016

The Age of EM

Buchbesprechung:

Robin Hanson: The Age of EM. Work, Love, and Life when Robots Rule the Earth. Oxford University Press, New York, London, 2016.


Eine Gehirnemulation (brain emulation, kurz: ems) ist einfach ausgedrückt die Nachbildung eines funktionierenden menschlichen Gehirns im Computer.

Wenn wir ein menschliches Gehirn scannen (Hirnabbild) können, können wir es (die exakte Kopie) auf einen super-schnellen Computer übertragen und damit ein Modell mit den gleichen Verbindungen zwischen den Nervenzellen bauen. Und dann haben wir ein Roboter-Gehirn, das als menschlich erkennbar ist.

Gehirnemulation hört sich wie eine Science Fiction Story an. Aber das vorliegende Buch von Robin Hanson gehört eher in die Kategorie „Futurism“. Im Übrigen werden Emulationen manchmal auch „uploads“ genannt.

Die wichtigste Methode des Autors, neben dem gesunden Menschenverstand und Trendprojektionen, sind Standard-Konsensus-Theorien in relevanten Bereichen der Physik, Technik und Sozial- und Geisteswissenschaften, einschliesslich der Praxis im geschäftlichen und gesellschaftlichen Leben, wie der Wirtschaftsprofessor an der George Manson University selbst beschreibt.

Gehirnemulationen benötigen drei unterstützende Technologien: Gehirn-Scanner, Gehirnzellen-Modelle und Signalverarbeitungshardware (d.h. Computers).

Gehirn-Scans werden laut Hanson möglicherweise durchführbar, wenn alle drei dieser Technologien günstig genug sind und zuverlässig eingesetzt werden können. Es scheint dem heutigen Kenntnisstand nach glaubwürdig, dass ausreichende Fortschritte in etwa einem Jahrhundert oder so erzielt werden könnten.

In Gehirnemulationen werden also Gehirne aufgezeichnet, kopiert und gebraucht, um künstliche Roboter-Köpfe (Denkart) herzustellen. Hanson verwendet dazu, wie gesagt, Standard-Theorien der Physik sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften, um dann im Detail zu schildern, wie eine Welt mit dieser Zukunftstechnologie aussehen würde. Ein Vorteil dabei ist, dass einzelne Kapitel unabhängig voneinander gelesen werden können. Die Reihenfolge spielt keine Rolle, wobei es nicht übertrieben wäre, eine nicht geringe Anzahl von Ausführungen esoterisch zu bezeichnen, nicht im Sinne von unverständlich oder versponnen.

Der Autor erwartet, dass die Zukunft i.d.R. wie die meisten Orte aussieht: banal, langweilig und moralisch zweideutig, mit grossen Hoffnungen und Begründungen eines oft in stiller Verzweiflung maskierten Lebens, wobei auch ein Leben in stiller Verzweiflung noch lebenswert sein kann.

Das Leben in der nächsten grossen Ära kann von unserem Leben heute so verschieden sein wie unser Leben vom Leben der Bauern oder wie sich das Leben der Bauern vom Leben der Jäger und Sammler unterscheidet.

Der Autor betont in diesem Zusammenhang drei entscheidenden Übergänge als die grössten Veränderungen auf der Welt: Einleitung von Menschen, die Landwirtschaft und die Industrie. Menschen haben nach Lebensmitteln gesucht, von einer Million bis etwa vor 10'000 Jahren. Von da an bis vor ein paar hundert Jahren waren wir mit der Landwirtschaft beschäftigt. Seitdem haben wir uns entwickelt und verlassen uns auf die Industrie.

Ein interessantester Abschnitt behandelt die Wirtschaft in der em-Welt. Die Löhne werden bis ans Existenzminimum fallen, argumentiert Hanson, wie Thomas Robert Malthus es um 1800 prognostiziert hat.

Wenn genug ems bereit und willens sind, sich kopieren zu lassen, dann wird die Elastizität das Angebot an Arbeit rasant steigen. Höhere Elastizität bedeutet, dass das Angebot sich mit der Nachfrage dort trifft, wo die Menge, die nachgefragt wird, hoch, die Löhne aber niedrig sind.

Im Übrigen: Wenn die Hardware Kosten fallen, fallen auch die Löhne, so der Autor. Ein gutes Beispiel aus der Gegenwart ist, dass manche Computer Chips heute eine nach unten geneigte Angebotskurve haben, wo eine grössere Nachfrage für das Produkt die Preise herabsenkt, während die Industrie von Skaleneffekten profitiert.

Eine naheliegende Frage ist, in welcher Beziehung die künstliche Intelligenz (Artificial Intelligence: AI) zu Gehirn-Emulation steht?
Der AI-Ansatz, intelligente Maschinen zu bauen, ist sehr verschieden von dem direkten Ansatz der Gehirn-Emulation, der im Mittelpunkt dieses Buches steht.

Gehirn-Emulation ist viel mehr wie der Übertrag einer Software von einem Rechner auf einen anderen Rechner. Um eine Software zu übertragen, braucht man nur eine Software für den neuen Rechner zu schreiben, die dafür sorgt, dass der neue Rechner die Rechner-Sprache des alten Rechners nachbildet. Man braucht nicht zu verstehen, wie die Software, die man übertragen hat, funktioniert. Es kann eine undurchsichtige schwarze Box (black box) sein.

Die Standard-AI-Software hingegen ist viel mehr das Schreiben eines neuen Software-Systems für den neuen Rechner, angespornt durch die Beobachtung, was die Software auf dem alten Rechner leistet.

Robin Hanson ist Wirtschaftsprofessor an der George Manson University und ein Research Associate im Future of Humanity Institute der Oxford University.






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