Donnerstag, 28. April 2016

Sparkurs der Regierungen bringt Niedrigzinsen

Die Inflationserwartungen im Euro-Raum sind zuletzt etwas gestiegen. Gemessen an Forward Inflation Swap-Sätzen für 5 Jahre in 5 Jahren (5y5y forward inflation-swap rates) sind sie gestern auf 1,42% geklettert.

Das ist bemerkenswert, da Mario Draghi vor acht Tagen gesagt hat, dass die Inflation in nächster Zeit ins Negative fallen könnte, bevor das inzwischen ausgeweitete Anleihekaufprogramm zur Entfaltung kommt.

Interessant ist natürlich, zu beobachten, dass die langfristigen Inflationserwartungen immer noch um mehr als 0,5% unter der Zielinflationsrate der EZB verweilen. Und sie liegen nicht weit von dem rekordtiefen Wert von 1,361%, der am 29. Februar verbucht wurde.

Auch in Deutschland betragen die Inflationserwartungen gemessen an sog. Breakeven-Sätzen mit rund 1% deutlich unterhalb des EZB-Zielwertes.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Rendite der Staatsanleihen, die sicher, liquid und hochwertig gelten, auf beiden Seiten des Atlantiks auf historisch tiefen Niveaus gehandelt werden.

Das deutet auf eine Knappheit (scarcity) hin: Die Nachfrage nach Staatspapieren ist wesentlich grösser als das Angebot. Das Angebot ist knapp, weil die Regierungen sich mit Anleihe-Ausgaben zurückhalten. Warum? Weil sie trotz der Gefahr von Stagnation und Deflation am Sparkurs festhalten. Das gilt v.a. für die Eurozone.



Inflationserwartungen im Euro-Raum (gemessen an Forward Inflation Swap-Sätzen für 5 Jahre in 5 Jahren), Graph: Bloomberg



Der restriktive Kurs der Staaten, trotz der historisch niedrigen Kreditkosten, weniger Anleihen zu emittieren, hält die Erholung der Wirtschaft zurück, schreibt Narayana Kocherlakota in seiner lesenswerten Kolumne in Bloomberg View.

Die US-Regierung leistet laut dem ehemaligen Fed-Präsidenten von Minneapolis der US-Wirtschaft damit einen Bärendienst, dadurch, dass sie weniger US-Treasury Bonds ausgibt. 

Die Vereinigten Staaten von Amerika verursachen mit dem Verzicht auf die Ausgabe von Schuldverschreibungen, einen grossen Schaden, was die Einnahmen der öffentlichen Hand betrifft, die ohne Mühe hätten gesteigert werden können.



Inflation im Euro-Raum, Graph: ECB


Die sicheren Staatspapiere sind von Investoren weltweit sehr gefragt, insbesondere seit dem Ausbruch der Finanzkrise. Die extrem niedrigen Renditen legen nahe, dass der Bedarf nach sichern Finanzanlagen verzweifelt hoch ist.

Die Knappheit betrifft aber nicht nur das Angebot, erläutert Kocherlakota weiter. Im Zuge der Finanzkrise verlangen private Haushalte und Unternehmen immer mehr sichere Anlagen, um sich vor weiteren konjunkturellen Einbrüchen zu schützen.

Genauso fordern auch die Regulierungsbehörden von den Banken, mehr sichere Anlagen in den Büchern zu halten. Und die Marktpreise sagen, dass der Staat mehr sichere Papiere anbieten muss, um die Nachfrage zu decken.

Die Regierungen (v.a. diejenigen mit Spielraum im fiskalpolitischen Sinn) könnten die Einnahmen aus der Ausgabe von Staatsanleihen (zu historisch günstigen Konditionen) für Investitionen z.B. in die Infrastruktur, Bildung und Umweltschutz einsetzen.

Fazit: Nicht die Notenbanken stehlen die Sparbuch-Zinsen der Bürger („Enteignung der Sparer“), sondern die Regierungen mit der Besessenheit von Haushaltskonsolidierung im schwer angeschlagenen Umfeld der Volkswirtschaft, die eine „Schwarze Null“-Politik auf ihre Fahnen schreiben und damit das Wachstum einschränken, womit auch die Zinsen weiter nach unten gedrückt werden.

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