Freitag, 4. September 2015

Wettbewerbsfähigkeit - Es gehören immer zwei dazu

Spaniens makroökonomisches Blatt wendet sich. Die Umstände ändern sich aber aus einer besonders prekären Situation. Als Antriebskraft steht das Exportgeschäft im Mittelpunkt.

Die Eurozone hat einen natürlichen Korrekturmechanismus, wenn ein Land als Folge eines vorübergehenden Booms im Inland (unabhängig von der Ursache) hoffnungslos wettbewerbsunfähig wird, bemerkt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.

Der Mechanismus ist Rezession und die Ökonomen nennen es “internal devaluation”: sinkende Löhne und Preise. Das Problem mit diesem Korrekturmechanismus ist, dass es langsam und schmerzhaft vonstatten geht, insbesondere wenn die Inflation so niedrig ist.

Die entscheidende Frage ist, was Spanien hätte tun können, um eine solche schmerzhafte Zeit der Korrektur zu vermeiden. Die Ursache des Problems war die übermässige Kreditaufnahme im privaten Sektor vor der Krise, und damit zusammenhängende Kapitalzuflüsse aus der Kern der Eurozone. Die Entwicklung mündete allmählich in einen Boom im Immobilienmarkt, mit einem grossen Leistungsbilanzdefizit und einem Anstieg der Inflation.

Spanien hat eine vernünftige makroprudenzielle Geldpolitik gehabt, wie Matthew C. Klein in FTAlphaville beschreibt. Mehr von der gleichen hätte wahrscheinlich nicht ausgereicht.

Was ist aber mit der Fiskalpolitik? Es ist richtig, zu betonen, dass Spanien sich in haushaltspolitischer Hinsicht nicht verschwenderisch verhalten hat: Das Land hatte von 2005 bis 2007 einen Überschuss im Haushalt.


Spaniens Handelsbilanz, Graph: Matthew C. Klein in: FTAlphaville, June 2015
Die Arbeitskosten sind in Spanien seit 2009 um 11% gegenüber Deutschlands Arbeitskosten gesunken.

Die relevante Zahl sei der zugrunde liegende, um zyklische Faktoren bereinigte Haushalt (cyclical adjusted balance): Es war ein anhaltendes, aber ein kleines Defizit, hält Wren-Lewis mit Hinweis auf die IWF-Daten fest. Es ist allerdings knifflig, was das strukturelle Defizit betrifft (cyclically-adjusted balance), auf ex-post Daten im Vorkrisenniveau abzustellen, wegen der Tiefe und Hartnäckigkeit der Rezession.

Der Fehler, den viele Kommentatoren machen, ist jedoch, von der Grössenordnung des Fiskaldefizits auszugehen, um die entsprechende Fiskalpolitik zu werten. Für ein einzelnes Land in einer Währungsunion ist das Defizit nicht die geeignete Metrik, argumentiert der an der Oxford University lehrende britische Wirtschaftsprofessor. Die geeignete Metrik ist die nationale Inflationsrate im Vergleich zum Durchschnitt der Eurozone.

Der BIP-Deflator für die Eurozone war von 2001 bis 2007 im Durchschnitt knapp über 2%. In Spanien hingegen beträgt derselbe Wert rund 4%. Über sieben Jahre impliziert es einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit in Höhe von 15%.

Worauf Wren-Lewis in seinem Blog-Eintrag nicht eingeht, ist die Kehrseite der Medaille: Deutschland hat z.B. das gemeinsam festgelegte Inflationsziel in der Eurozone im selben Zeitraum signifikant unterboten, während Spanien es übertroffen hat. Das heisst, dass Deutschland unter seinen Verhältnissen gelebt hat, während Spanien über seinen Verhältnissen gelebt hat. Das geht in einer Währungsunion nicht.

Man stelle sich nun die Grössenordung vor, wie Deutschland sich durch die Unterbietung (via Lohnzurückhaltung) des von der EZB avisierten Zielwertes (von 2%) für die Inflation Wettbewerbsvorteile geschaffen hat.

Das muss jetzt korrigiert werden. Es ist daher intellektuell unredlich, die EU-Länder an der Peripherie aufzufordern, die Last der Anpassung allein zu tragen: "sie sind schuld an der Misere und sie müssen handeln". Nein, Deutschland muss auch agieren, und zwar so, dass die Löhne steigen. Fazit: it takes two to tango.

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