Freitag, 10. Juli 2015

Austerität ist mehr als eine griechische Tragödie

In Sachen Griechenland geht es nicht um Transfers zwischen einem Schuldnerland und den vielen Gläubigerstaaten, wie viele Menschen glauben mögen. 

Im Mittelpunkt steht nicht eine Art Nullsummenspiel (zero sum game), wie die Unterzeichner des offenen Briefs an die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Nachdruck unterstreichen.

Die Frage ist, ob Europa inmitten einer schweren Depression mehr sparen kann? Die Antwort lautet nein. Länder oder Staaten können nämlich nicht einfach so sparen wie die schwäbische Hausfrau, hat Heiner Flassbeck schon mehrmals erläuert.

Der Staat ist keine schwäbische Frau. Wer die schwäbische Hausfrau (Merkel’s austerity postergirl) als Vorbild ausgibt, ignoriert makroökonomische Zusammenhänge.

Es ist absurd, vor diesem Hintergrund von z.B. der “Schweiz AG” oder der “Deutschland AG” zu reden. Das einzelwirtschaftliche Denken ist für die Gesamtheit falsch. Der Wettbewerb unter Staaten hat nichts mit dem sinnvollen Wettbewerb unter Unternehmen zu tun. 


Brüning Deflation und Sie-wissen-schon-wer danach an die Macht kam, Graph: Paul Krugman in NYTimes 

Deutschland 1923: Hyperinflation, Deutschland 1933: Deflation

It takes two to Tango: Wo es einen debtor gibt, gibt es einen creditor. Schuldner zu Schuldigen zu erklären, ist ein moralisches Argument, nicht ein (makro)ökonomisches.

Im Übrigen: Niemand behauptet in der gesamten Debatte, dass Griechenland ein Unschuldslamm sei: Es geht längst nicht mehr “nur” um Griechenland. Es geht um eine Wirtschaftspolitik, die kläglich versagt hat: Die neoliberale Doktrin, die stets hemmungslos bemüht ist, die Gesellschaft “marktkonform” zu gestalten, und zwar mit fatalen Folgen wie z.B. Massenarbeitslosigkeit: Seit Jahren wird der Sozialstaat abgebaut. Arbeitsmobilität wird nicht nur gefördert, sondern auch erzwungen. Sogar wird die Bildung in den Dienst der Wettbewerbsfähigkeit gestellt, wie Werner Vontobel aus der Schweiz treffend beschreibt. 

Fazit: Es sollte nun nach mehreren Jahren endlich klar sein, dass die Austeritätspolitik von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, ohne einen grossen Schuldenschnitt (debt relief).

Das Troika-Programm hat dazu geführt, dass Griechenlands Wirtschaft schneller geschrumpft ist als Verschuldung des Landes verringert wurde. Trotz des immensen Leidens der Menschen hat sich der Haushalt verschlimmert.

Was wir beobachten ist, dass die "fiscal austerity + hard money" eine tief giftige Mischung ist, wie Paul Krugman darlegt.

Die harschen Sparmassnahmen drücken die Wirtschaft (depression) und treiben sie in Richtung Deflation (internal devaluation). Im Ergebnis gelingt es nicht einmal (debt deflation), die Staatsschuldenquote (debt-to-GDP) zu senken. Es gibt kaum Beweise dafür, dass Strukturreformen (supply side) die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, während es an Nachfrage (wage cuts) fehlt.

Es ist wahr, dass Griechenland auf die eine oder andere Art einen Primärüberschuss (primary surplus) erwirtschaften musste. Wenn aber Währungsabwertung nicht möglich ist (euro straight-jacket) und kein Schuldenerlass (debt relief) erfolgt, wirken Sparmassnahmen unglaublich schmerzhaft und sie sind v.a. völlig sinnlos: Menschen bleiben auf der Strecke (human toll) und wenden sich in Not an radikale Parteien am rechten Ende des politischen Spektrums.

PS: Hier ist die Abbildung in diesem Blog, die den griechischen Primärüberschuss zeigt.

PPS: Und hier die Abbildung des “cyclically adjusted primary surplus” für Griechenland.




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