Dienstag, 10. März 2015

Nullzinsgrenze wird einer praktischen Revision unterzogen

Wenn die Zentralbank die Geldpolitik so lockert, um die Wirtschaft aus der Rezession zu holen, dass die Nominalzinsen an die Nullgrenze (zero lower bound) geraten, verliert das herkömmliche Instrument der Zentralbank an Zugkraft.

Deshalb greifen moderne Notenbanken auf unkonventionelle Massnahmen zurück, um die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Eins davon macht heute viel von sich reden: Quantitative Easing (QE); d.h. die mengenmässige Lockerung der Geldpolitik.

Erholt sich die Wirtschaft nicht, hält die Zentralbank am Kurs der QE-Politik fest. Zinsen fallen allmählich unter Null: Negative Zinsen auf Guthaben der Geschäftsbanken auf den Girokonten bei der Zentralbank, negative Refinanzierungssätze, negative Renditen der  Staatsanleihen, ja sogar negative Hypothekenzinsen ergeben sich.

Während in diesen Tagen immer öfters die Frage aufgeworfen wird, wie negativ Zinsen noch werden können, rückt damit auch die Theorie der Nullzinsgrenze ins Zentrum.

Einer der prominentesten Vertreter dieser Theorie ist Paul Krugman. Der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor vertritt nun im Angesicht der aktuellen Entwicklung in den Finanzmärkten die Meinung, dass die Nullzinsgrenze nicht Null, sondern x-Minus Nullzinsgrenze ist.


Leitzinsen der ausgewählten Zentralbanken in grossen Volkswirtschaften, Graph: Greg Ip in WSJ („How far below zero can interest rates go?“)


Denn die Nullzinsgrenze ist nur dann bindend, wenn es keine Kosten für die Lagerung und Sicherung gibt. Das ist natürlich nicht der Fall. Denn die Lagerung und Sicherung kostet etwas. Deshalb ist die Nullzinsgrenze nicht gleich Null.

Die Bindung (d.h. Einschränkung) beginnt also nicht bei Null, sondern etwas darunter. Nach Cecchetti und Schoenholtz Schätzung beläuft sich „x“ auf rund minus 0,50%, d.h. geringer als eins.

Die Theorie der Nullzinsgrenze (zero lower bound theory) nimmt nämlich an, dass das meiste Geld in Form von nicht handelbaren (non-tradeable) Instrumenten wie z.B. Bankeinlagen gehalten wird. Ein Guthaben auf dem Bankkonto hat einen „Ertrag“ wie der Nennwert. Wenn ein negativer Zinssatz von minus 0,20% darauf erhoben wird, nimmt der Nominalwert ab. Das meiste Geld wird aber heute nicht in dieser Form gehalten, wie Frances Coppola heute in einem lesenswerten Artikel in FT beschreibt. Das meiste Geld wird als handelbare Instrumente (tradeable) gehandhabt. Und der Ertrag darauf reflektiert den Preis.

Bonds werden i.d.R. mit einem Abschlag zum Nennwert gehandelt. Am Ende der Laufzeit werden sie zu 100% ausgezahlt. Wenn eine Anleihe aber eine negative Rendite aufweist, heisst es, dass sie mit einem Aufschlag zum Nennwert gehandelt wird.

Dies wiederum wirkt sich auf die Entscheidung der Anleihe-Investoren aus. Das bedeutet aber nicht, dass die Investoren deshalb auf andere Anlagewerte ausweichen würden, die keinen Ertrag abwerfen, nach dem Motto, besser keinen Ertrag als Negativ-Rendite. Denn für die Investoren ist nicht unbedingt die Rendite zum Zeitpunkt des Kaufes entscheidend, sondern die künftige Entwicklung der Rendite. Diese ist wiederum abhängig von den Inflationserwartungen und der Politik der Zentralbank.

Wenn die Erwartungen dahingehend sind, dass die Inflation weiter fällt, und  die Zentralbank in den Markt eingreift, um den weiteren Rückgang der Inflation (bzw. die Deflationsgefahr) zu unterbinden, werden die Renditen weiter fallen. Da kann es sich lohnen, die Anleihe trotz der Negativ-Rendite zu kaufen, weil man die Anleihe zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Kursgewinn verkaufen kann. Daraus  folgt, dass die Nullzinsgrenze für die Anleihemärkte nicht bindend ist.

Das heisst, dass der Kontoinhaber die Einlagen (v.a. in einem deflationären Umfeld in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft) nicht als Zahlungsmittel, sondern als Mittel für Lagerung und Sicherung hält.


PS: Jérémie Cohen-Setton fasst die interessantesten Beiträge aus der Blogosphäre hier im Bruegel Blog zusammen. Lesenswert.

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