Montag, 30. März 2015

Bernanke bloggt, warum die Zinsen so niedrig sind

Die Zinssätze sind zur Zeit auf der ganzen Welt niedrig, sowohl kurzfristig als auch langfristig. Die Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit beträgt rund 1,96%. In Deutschland beläuft sich die Rendite mit der vergleichbaren Laufzeit auf 0,20%. Und in der Schweiz ist sie sogar negativ.

Ben Bernanke hat neulich ein eigenes Blog lanciert. Der ehemalige Präsident der US-Notenbank (Fed) befasst sich in seinem ersten Blog-Eintrag mit der Frage, warum die Zinssätze so niedrig sind.

Niedrige Renditen sind aber laut Bernanke keine kurzfristige Abweichung, sondern Teil eines langfristigen Trends. Die Entwicklung der Zinsen ist i.d.R. vom Anstieg und dem Rückgang der Inflation abhängig. Ist die Inflation hoch, verlangen die Investoren einen höheren Zinssatz, um sich gegen die sinkende Kaufkraft zu schützen. Heute ist aber auch die Rendite der inflationsgeschützten Staatsanleihen (TIPS) sehr niedrig: Die Realrendite der US-Treasury Bonds mit 5 Jahren Laufzeit notiert derzeit auf minus 0,34 Prozent.

Fragt man eine Person auf der Strasse, warum die Zinsen heute so niedrig sind, bekommt man als Antwort, dass es die Fed sei, die die Zinsen niedrig halte. Es ist zwar richtig, dass die Fed die kurzfristigen Zinsen festlegt: Die Fed-Politik ist die primäre Determinante der Inflation und der Inflationserwartungen über einen längeren Zeitraum, wie Bernanke hervorhebt.

Worauf es aber für die Wirtschaft ankommt, ist der Realzins (d.h. um die Inflation bereinigte Zinssatz). Am wichtigsten ist der Realzins für Investitionsentscheidungen.


US Zinsen und Inflation, Graph: Prof. Ben Bernanke 


Die Fähigkeit der Fed, die Realzinsen zu beeinflussen, insbesondere längerfristige Realzinsen ist kurzlebig und begrenzt. Abgesehen von der kurzen Frist werden die Realzinsen durch eine breite Palette von wirtschaftlichen Faktoren bestimmt, einschliesslich der Aussichten für das Wirtschaftswachstum , nicht durch die Fed, so der Wirtschaftsprofessor weiter.

Warum das so ist, erklärt Bernanke anhand des Wicksellschen Konzepts. Der equilibrium real interest rate ist der Realzins, der mit der Vollbeschäftigung der Arbeits- und Kapitalressourcen übereinstimmt, vielleicht nach einiger Zeit der Anpassung. 

Viele Faktoren beeinflussen den Gleichgewichtszinssatz (equilibrium rate), der sich im Lauf der Zeit ändern kann. In einer schnell wachsenden, dynamischen Wirtschaft ist ein hoher Gleichgewichtszinssatz zu erwarten, was die Aussichten auf hohe Erträge von Kapitalanlagen widerspiegelt. In einer schwach wachsenden oder rückläufigen Wirtschaft hingegen ist ein tiefer Gleichgewichtszinssatz zu erwarten, da die Investitionsmöglichkeiten begrenzt sind und relativ unrentabel bleiben.

Wenn die Fed die Vollbeschäftigung von Kapital- und Arbeitressourcen anstrebt, setzt sie sich dafür ein, dass die Zinsen sich auf das gewünschte Niveau hinbewegen. Der Gleichgewichtszinssatz ist jedoch direkt nicht beobachtbar und muss daher geschätzt werden.

Würde die Fed die Marktsätze beharrlich zu hoch halten, im Verhältnis zum Gleichgewichtszinssatz (der natürliche Zins), würde sich das Wirtschaftswachsum verlangsamen und die Wirtschaft vielleicht in eine Rezession geraten, weil Investitionen und Konsum von langlebigen Gütern nicht attraktiv wären, weil die Kosten für die Kreditaufnahme die möglichen Erträge übersteigen würden.

Ebenso, würde die Fed die Marktsätze zu niedrig drücken, unter den Wert des Gleichgewichtszinssatzes, käme es zu Überhitzung der Wirtschaft, was Inflation auslösen würde, was eine unhaltbare und unerwünschte Situation wäre.

Die Quintessenz ist, dass der Zustand der Wirtschaft, nicht die Fed letztlich die reale Zinssätze bestimmt, die von Sparern und Investoren erlangbar ist. Wenn aber Rentner und Sparer nachhaltig höhere Realrenditen anstreben, dann wäre es genau die falsche Politik, wenn die Fed die Zinsen vorzeitig erhöhen würde.

Die träge Entwicklung der Wirtschaft in den vergangenen Jahren deutet laut Bernanke darauf hin, dass der Gleichgewichtszinssatz aussergewöhnlich niedrig gewesen ist, ja zum Teil sogar negativ.

Eine vorzeitige Zinserhöhung durch die Fed würde nach kurzer Zeit zu einer konjunkturellen Abkühlung führen und damit niedrige Renditen auf Kapitalanlagen hervorrufen. Die sich abschwächende Konjunktur würde die Fed zwingen, die Zinsen wieder zu senken. Das ist kaum ein hypothetisches Szenario. In den letzten Jahren haben einige wichtige Zentralbanken die Zinsen vorzeitig angehoben und damit die Wirtschaft geschwächt. Dann sahen sie sich veranlasst, den falschen Zinsschritt wieder zu korrigieren, durch Senkung, so Bernanke.

Das ist sicherlich ein Wink mit dem Zaunpfahl (ein weiterer hier) in Richtung Europa, wo die EZB (April und Juli 2011) und die Riksbank (2010 und 2011) die Zinsen vorzeitig erhöht und nach der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage wieder gesenkt haben.

Es ist letztlich der Stand der Wirtschaft, nicht die US-Notenbank, der das nachhaltige Niveau der Realzinsen bestimmt, so Bernanke als Fazit.





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