Montag, 31. März 2014

Inflationserwartungen von Konsumenten im Euro-Raum

Die jährliche Inflation im Euro-Raum beläuft sich im März 2014  laut eurostat’s Schätzung von heute auf 0,5%. Das bedeutet ein Rückgang gegenüber 0,7% in Februar 2014. Und damit erreicht die Inflationsrate im Euro-Raum den tiefsten Wert seit 2009.

Während die Anzeichen für allfällige Deflationsgefahren sich mehren, hält sich die EZB bedeckt. Interessant ist, dass die EZB (staff forecast) selbst für die nächsten drei Jahren mit einer anhaltenden Niedriginflation rechnet.

Es sind hauptsächlich die Energiepreise, die gesunken sind, beschwichtigen einige Experten. Doch es waren die Energiepreise, weshalb die EZB die Zinsen im Jahr 2011 wider besseres Wissen zweimal angehoben hatte, mit schwerwiegenden Folgen für die gesamte Wirtschaft. Weil eben die Energiepreise vorübergehend angestiegen waren.

Die Inflation bleibt damit seit mehreren Monaten unter dem von der EZB auf mittlere Sicht angestrebten Wert für den gesamten Euro-Raum.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Inflationserwartungen der Verbraucher (Consumer Inflation Expectation). Die Daten, die von der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission (ECFIN) erhohen werden, sehen wie folgt aus:



HICP (der harmonisierte Verbraucherpreisindex) allgemeine Inflation und Kerninflation (core inflation) im Euro-Raum, Graph: ECFIN

Sonntag, 30. März 2014

Kompetenzen-Zombie und Depression

Einer der frustrierendsten Aspekte der wirtschaftlichen Debatte seit 2008 ist die Präferenz von einflussreichen Menschen für Geschichten über unsere Probleme, die sich ernsthaft anhören als die, die tatsächlich ernsthaft sind, schreibt Paul Krugman in seinem Blog.

Die Realität war die ganze Zeit, dass die Wirtschaft schwer angeschlagen (depression) ist, weil es an gesamtwirtschaftlichen Verbrauch mangelt. Aber die Politiker und Experten sind nur an schwierigen Entscheidungen interessiert. Und sie weigern sich laut Krugman, einzusehen, dass die schrecklichen Probleme einfache Antworten haben könnten.

Das verheerendste Beispiel ist natürlich die Defizit-Besessenheit. Die Besessenheit von Defizit ist ein wenig verblast. Aber es gibt noch andere, nämlich die Vorstellung, dass wir grosse Probleme haben, weil Arbeitskräften notwendige Kompetenzen fehlen.

Das ist eine Zombie-Doktrin; eine Glaubenslehre, die durch die Beweise immer wieder widerlegt wird und daher längst tot hätte sein sollen.

Noch hält die Geschichte über Kompetenz in angeblich gut informierten Kreisen Stellung. Aber wie Krugman denkt, ist das deswegen der Fall, weil es sich seriös anhört, weil sie eben von angeblich seriösen Menschen vorgetragen wird.

Spanien und verheerende Folgen der Sparmassnahmen

Wie schwer die Austerität im Euro-Raum zum Tragen kommt, zeigt sich v.a. in den von der Euro-Krise am stärksten betroffenen Volkswirtschaften. Das Problem ist ein immenser, wachstumshemmender Schuldenüberhang im Privatsektor, der irgendwie abgebaut werden muss.

Da alle Länder an der EU-Peripherie versuchen, die wirtschaftlichen Probleme via internal devaluation (d.h. Lohnsenkung) zu lösen, war es von Anfang ein offenes Geheimnis, dass das Ergebnis Deflation sein würde.

Die Preise fallen auch in Spanien, wo Madrid gerade sich anstrengt, Wettbewerbsfähigkeit durch Senkung der Lohnstückkosten wiederzuherstellen.

Die Inflationsrate im Februar belief sich in Spanien auf -0,1%. Wie die spanische Statistikbehörde (INE) meldet, sind zuletzt v.a. die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke stark gefallen. Die Preise dürften im März sogar weiter um 0,2% gefallen sein, wie INE am Freitag in einer ersten Schätzung mitgeteilt hat.

Es besteht die Gefahr, dass Verbraucher und Unternehmen in Erwartung weiter sinkender Preise die Ausgaben aufschieben. Schlimm genug, dass der Rückgang der Löhne bereits mit dem Rückgang der Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen einhergeht.

Die aktuellen Daten im Einzelhandel im Februar deuten auf eine Flaute hin: Die Einzelhandelsunternehmen haben im vergangenen Monat einen Rückgang des Umsatzes um -0,5% verzeichnet.



Konsumenten-Preisindex (CPI) in Spanien im Februar 2014, Graph: Instituto Nacional de Estadistica (INE)

Samstag, 29. März 2014

Modellierung der Wirtschaft und Fakten

Es waren damals die Keynesianer, die in der Great Depression sagten, dass wir einen Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage haben und der Staat daher die hohen Ersparnisse von Unternehmen und privaten Haushalten aufnehmen und investieren muss. Ansonsten würde die Wirtschaft völlig zusammenbrechen.

In der Great Recession sagten die Ökonomen, die mit einem einfachen IS-LM Modell arbeiten, dass viele der gewöhnlichen ökonomischen Sachverhalte nicht mehr gelten, wenn die Wirtschaft in einer Liquditätsfalle (liquidity trap) steckt.

Das ist eine Situation, in der Unternehmen und private Haushalte nach dem Platzen einer Spekulationsblase versuchen, ihre Schulden zurückzufahren (deleveraging).  Auch wenn die nominalen Zinsen nahe Null (zero lower bound) liegen, ist niemand bereit, Kredit aufzunehmen.

Weiter legen Keynesianische Prämisse nahe, dass die Vorausgabung  von öffentlichen Haushaltsmitteln (deficit spending) zur Konjunkturbelebung (stimulus) in Zeiten von Depression nicht zu einem Anstieg der Inflation führen würde. Die Zinsen würden trotz der erhöhten Staatsausgaben niedrig bleiben.

Doch die herrschende neo-klassische Lehre hat von Anfang an der Finanzkrise galoppierende Inflation und durch die Decke schiessende Zinsen vorausgesagt. Der von Verfechtern der östereichischen Schule (austerians) geforderte Schwenk von Konjunkturprogramm (fiscal stimulus) zu harschen Sparmassnahmen (fiscal austerity) hat die Wirtschaftskrise inzwischen weiter vertieft und verschlimmert.


Schweizer Notenbankgeldmenge (monetary base), Graph: SNB in Quarterly Bulletin 1/2014, March

Rette Kapitalismus von Kapitalisten – mit Vermögensteuer

Die Verteilung von Einkommen und Vermögen ist eines der umstrittensten Themen der Gegenwart, schreibt Thomas Piketty in einem lesenswerten Artikel („Save capitalism from capitalist by taxing wealth“) in FT.

Die Geschichte lehrt uns, dass es starke wirtschaftliche Kräfte in jede Richtung gibt: in Richtung grösserer Ungleichheit und weg von ihr. Welche sich durchsetzt, hängt von den Richtlinien der Politik ab, die wir wählen, erklärt der französische Ökonomen, der mit seinem neulich vorgelegten MeisterwerkCapital in the Twenty-First Century“ weltweit für Schlagzeilen sorgt.

Amerika galt als Antithese der patrimonialen Gesellschaften von Old Europe. Bis zum ersten Weltkrieg war die Reichtum-Konzentration in den Händen von wohlhabenden Menschen in den USA weit weniger extrem als in Europa.

Im 20. Jahrhundert hat sich die Situation jedoch genau umgekehrt. Die US-Einkommensungleicheit hat sich seit den 1980er Jahren verschärft, weitgehend durch die Widerspiegelung der hohen Einkommen der Leute an der Spitze, so Piketty.

Freitag, 28. März 2014

Die wachsende Konzentration von Vermögen in wenigen Händen

Einige Konservative argumentieren, dass die Fokussierung auf Ungleichheit un-amerikanisch sei und dass Amerika diejenigen, die Reichtum erreicht haben, immer gefeiert habe, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („America’s Taxation Tradition“) am Freitag in NYTimes.

Und sie haben Recht. Kein echter Amerikaner würde sagen:

“The absence of effective State, and, especially, national, restraint upon unfair money-getting has tended to create a small class of enormously wealthy and economically powerful men, whose chief object is to hold and increase their power”
Und der Aussage folgendes hinzufügen:

“A graduated inheritance tax on big fortunes ... increasing rapidly in amount with the size of the estate.” 
Welcher Linker war es aber, der diese Aussage gemacht hat? Theodore Roosevelt im Jahr 1910.

Die Wahrheit ist, dass im frühen 20. Jahrhundert viele führende Amerikaner vor den Gefahren der extremen Reichtum-Konzentration warnten und darauf drängten, Steuerpolitik einzusetzen, um das Wachstum des grossen Vermögens zu begrenzen.

Es gibt ein weiteres Beispiel: Der berühmte Ökonom Irving Fisher hat seine Präsidialansprache  der American Economic Association gewidmet, vor allem, um vor Auswirkungen einer „undemokratischen Verteilung des Reichtums“ zu warnen. Und er hat sich dafür ausgesprochen, das ererbte Vermögen durch hohe Besteuerung von Immobilien zu limitieren.

Der Euro wird stärker – Was macht die EZB?

Die jüngsten Daten (portfolio flows) deuten auf einen Zufluss in den Euro-Raum hin.

Während die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt und die nominalen Zinsen nahe null (zero lower bound) liegen, kommt es auf die Realzinsen an, welche eine Art Funktion von Inflation werden.

Wenn die Inflation sich zurückbildet und in Deflation mündet, steigen die Realzinsen, was schliesslich den Wechselkurs unterstützt.

Die erste Abbildung unten zeigt den Stand der Realzinsen unter G10-Ländern.

Wenn man die Performance von Währungen im Jahr 2013 beobachtet, entdeckt man einen engen Zusammenhang zwischen Wechselkursen und Realzinsen, wie in der zweiten Abbildung besser dargestellt ist.

Die Euro-Stärke erhöht die deflationären Kräfte in der Europäischen Währungsunion (EWU), womit die Realzinsen steigen und die Währung sich weiter aufwertet.

Nirgendswo ist der Realzins so hoch wie im Euro-Raum. Der Euro könnte demnach nicht zur Schwäche neigen, ohne dass ein Rückgang der Realzinsen bewirkt wird. Wie? Da ist die EZB gefordert. Mit anderen Worten: Es bedarf einer pro-aktiven Zentralbank.




Realzinsen unter G10-Ländern, Graph: Morgan Stanley

Donnerstag, 27. März 2014

Euro Inflationsswaps und Inflationserwartungen

Auf der Grundlage von Umfragen (SPF: Survey of Professional Forecaster) fallen die Inflationserwartungen (10 Jahre voraus) im Euro-Raum im Durchschnitt seit Mitte 2011.

Die aus Inflationsswaps abgeleiteten Inflationserwartungen (Forward 1-Jahr Breakeven-Sätze) zeigen, dass der Markt mit einer Beschleunigung der Inflation von derzeit 0,76% auf 2,35% im Jahr 2024 rechnet.

Bemerkenswert ist jedoch, dass die Inflationserwartungen auf mittlere Sicht gemessen an (5y5y Inflationsswaps) verankert aussehen. Das mag ein Grund sein, warum die EZB sich wohl dabei fühlt, den geldpolitischen Kurs nicht weiter zu lockern, weil daraus nicht eine sich selbst verstärkende deflationäre Spirale geschlossen werden kann.

Es muss aber nicht unbedingt eine ausgewachsene Deflation vorliegen, damit die gesamte Wirtschaft beeinträchtigt wird, wie der IWF betont. Die grosse Gefahr ist, dass anhaltend niedrige Inflation (lowflation) die bereits angeschlagenen Volkswirtschaften in Europa heftig genug zermürbt.





Euro Inflationsswap und Breakeven Laufzeitstruktur, Graph: Morgan Stanley
Zinsstrukturkurve (Laufzeitstruktur der Zinssätze)

Die Laufzeitstruktur spiegelt die Erwartungen der Marktteilnehmer in Bezug auf künftige Veränderungen der Zinssätze und der Beurteilung der geldpolitischen Bedingungen.

Apfelkuchen und Einkommensverteilung in der amerikanischen Geschichte

Die schwunghafte Debatte über die Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung in fortgeschrittenen Volkswirtschaften setzt sich erfreulicherweise lebhaft fort.

Dazu kommt, dass Thomas Piketty’s lesenswertes Buch („Capital“) der öffentlichen Diskussion zusätzlich Flügel verleiht.

Das Beste ist, dass damit das Bewusstsein geweckt wird, wie z.B. Einkommen aus Kapital und Arbeit in den vergangenen 30 Jahren im Allgemeinen gehandhabt wurde und wie die wachsende Ungleichheit auf Wirtschaftswachstum lastet.

Es gibt aber auch eine konträre Meinung, wonach die Umverteilung un-amerikanisch ja sogar anti-amerikanisch sei. Wer sich dafür einsetzt, bringt sich daher in Ungnade.

Ist es wahr? Nein, es ist Unsinn. Paul Krugman deutet in seinem Blog auf einen Abschnitt im Buch hin, wonach Amerika, wie die Geschichte der progressiven Besteuerung im 20. Jahrhundert zeigt, eine führende Rolle gespielt hat: Amerika hat laut Piketty „konfiszierende“ Steuern auf „übermässiges“ Einkommen und Vermögen geradezu erfunden.

Aber, warum?

Mittwoch, 26. März 2014

Euro-Raum Produktionslücke

Die Anzeichen mehren sich, dass dem Euro-Raum ein längerer Zeitraum sehr niedriger Inflation bevorsteht. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass die Inflation ins Negative fällt, selbst wenn eine vollwertige, sich selbst tragende deflationäre Spirale im technischen Sinne nicht vorliegen mag.

Nach Schätzung der OECD dürfte die Produktionslücke (output gap) im Euro-Raum im Jahr 2015 etwa doppelt so gross ausfallen wie in den USA und in Grossbritannien. Das bedeutet weiterhin Abwärtsdruck auf die Preise in Europa.

Da die Lohnstückkosten in Deutschland nur langsam steigen, entsteht daraus ein zusätzlicher Druck auf die Löhne an der EU-Peripherie, Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen.

Die notwendige strukturelle Neuausrichtung (rebalancing) der Wirtschaft im Euro-Raum wird dadurch weiter hinausgezögert. Der Prozess der Anpassung der Kosten und Preise wäre viel einfacher, wenn die Inflation im Kern näher bei 3% und in der Peripherie um 1% liegen würde.



Euro-Raum Produktionslücke (output gap), Graph: Morgan Stanley

SNB und Aktienportfolio der Devisenanlagen

Die Währungsreserven der Schweizerischen Nationalbank (SNB) sind per Ende 2013 um 8 Mrd. CHF auf 477 Mrd. CHF gesunken. Der Rückgang ist auf die Bewertungsverluste auf dem Gold von 15 Mrd. CHF zurückzuführen.

Die Devisenreserven sind hingegen Ende 2013 um 8 Mrd. CHF gestiegen. Bekannt ist, dass die SNB seit ein paar Jahren einen Teil der Devisenreserven auch in Aktien investiert.

Das heisst, dass die SNB mittlerweile wie die Bank of Israel (BoI) oder Bank of Korea (BOK) auch ein Aktienporfolio (gegenwärtig im Wert von rund 70 Mrd. CHF) hat. Aber sie sieht sich selbstverständlich nicht als strategische Investorin.

Im Aktienportfolio der Devisenanlagen befinden sich Aktien von mittel- und grosskapitalisierten Unternehmen (ohne Banken) aus Industrieländern. Das Portfolio setzt sich zum einem kleinen Teil aus Aktien kleinkapitalisierter Unternehmen (small caps) zusammen, wie die SNB im kürzlich vorgelegten Jahresbericht 2013 unterstreicht.

Die Aktien werden passiv bewirtschaftet. Das global breit diversifizierte Aktienportfolio enthält rund 5‘600 Einzeltitel: ca. 1‘400 Titel mittel- und grosskapitalisierter Unternehmen und ca. 4‘200 Titel kleinkapitalisierter Unternehmen.



Aufteilung der Währungsreserven der SNB per Ende 2013, Graph: SNB in: Geschäftsbericht 2013

Die breite Diskussion über das Wirtschaftswachstum

Makroökonomische Politik kann in zwei Typen unterteilt werden, schreibt Mark Thoma in einem lesenswerten Artikel in The Fiscal Times

(1) Stabilisierungspolitik, die darauf abzielt, die Wirtschaft so nahe wie möglich bei Vollbeschäftigung zu halten und 

(2) Wachstumspolitik, die versucht, die Wirtschaft im Laufe der Zeit so schnell wie möglich wachsen zu lassen.

Vor dem Ausbruch der jüngsten wirtschaftlichen Probleme ging es bei den meisten der Forschungsarbeiten in der Volkswirtschaftslehre und in der politischen Debatte mehr um Wachstumspolitik als Stabilisierungspolitik, erklärt der an der Oregon University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Das hat sich nun nach dem Einschlag der Great Recession geändert. Plötzlich rücken Fragen in Sachen Stabilisierungspolitik in den Vordergrund.

Die Wirtschaft schickt sich allmählich an, aus der Rezession zu kommen. Und das Augenmerk richtet sich daher wieder auf das Wirtschaftswachstum. Und es sind nicht nur die politischen Rechte, die über die Frage des Wachstums nachdenken, sondern auch die Linken denken über das Wachstum nach, so Thoma.

Dienstag, 25. März 2014

Lohnstückkosten im Euro-Raum: Problem?

In diesen Tagen macht ein neues Meme die Runde. Auf beiden Seiten des Atlantiks ist plötzlich von Lohnwachstum die Rede. Eine Ungeheuer? Eine Bestie?

Der ehemalige SNB-Präsident Phillip Hildebrand spricht in diesem Zusammenhang in einem Meinungsartikel in FT von Warnsignalen in den USA: Die Stundenlöhne steigen wieder.

In Europa ist das jährliche Wachstum der Arbeitskosten in aller Munde, obwohl die beiden Hauptkomponenten der Arbeitskosten (Löhne & Gehälter und Lohnnebenkosten) noch meilenweit entfernt von dem Vorkrisenniveau sind.

Trotzdem schlägt die deutsche Wirtschaft Alarm: Die Arbeit verteuere sich. Die Export-Industrie fürchtet um ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Als ein nachhaltiges Problem deutet Steven Rattner in NYTimes auf das Wachstum der Arbeitskosten in Frankreich und Italien hin.

Zugleich wird der Eindruck hinterlassen, wie wenn fallende Lohnstückkosten immer eine gute Sache wären. Das ist natürlich nicht wahr. In der Praxis steigen die Lohnstückkosten in etwa dem gleichen Aussmass wie die Inflation.



Lohnstückkosten im Euro-Raum, Graph: Prof. Paul Krugman

Montag, 24. März 2014

IWF empfiehlt SNB, Mindestkurs beizubehalten

Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet im heute vorgelegten Länder-Bericht im Rahmen des sog. Article IV Consultations mit einem Wirtschaftswachstum von rund 2% für das laufende Jahr für die Schweiz.

(1) Der IWF empfiehlt der Schweizerischen Nationalbank (SNB), am Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR festzuhalten, da die Inflation nahe Null liegt und das Risiko einer Wiederaufnahme der Zuflüsse in den sicheren Hafen CHF gewichtig ist.

(2) Die grössten Banken sollen weiterhin Schulden abbauen (deleveraging) und es ist darüber hinaus notwendig, Bemühungen um eine grenzüberschreitende Abwicklung von Banken zu verstärken

(3) Der IWF legt ferner der SNB nahe, über die Einführung von negativen Zinsen auf die Reserven der Banken bei der SNB nachzudenken. Das heisst, dass die Geschäftsbanken einen Zins an die SNB zahlen müssten, wenn sie bei der SNB Überschussreserven parken sollten. Mit anderen Worten würden Banken gezwungen, für die Menge an Reserven, die über die erforderlichen Mindestreserven hinausgehen, eine Art Strafzins zu zahlen.


Zinsstrukturkurve am Geldmarkt für Schweizer Franken, Graph: SIX Swiss Exchange

Säkulare Stagnation und Vermögensungleichheit

Es war Alvin Hansen, der in den 1930er Jahren den Begriff „säkulare Stagnation“ (secular stagnation) vorgestellt hat, schreiben Atif Mian und Amir Sufi in ihrem Blog.

Die Hypothese wurde von Larry Summers nun wieder zum Leben erweckt.

Die Protagonisten beschreiben damit eine Situation, wo die Zinsen im Angesicht einer schwachen Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen in einer normal funktionierenden Wirtschaft fallen müssen. Ein niedriger Zinssatz würde dann die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ankurbeln.

Was aber, wenn die Realzinsen negativ sein müssten, um die Nachfrage wieder zu beleben, und die Zinsen nahe Null verharren? Das ist eine Situation, wo viel zu viel Ersparnisse in risikolosen Anlagen herum „geparkt“ werden, welche von Paul Krugman als „Liquiditätsfalle“ (liquidity trap) bezeichnet wird.

Die Liquiditätsfalle hilft, zu erklären, warum Rezessionen so schwerwiegend sein können, legen Mian und Sufi dar. Aber Summers Argumentation geht weiter: Der ehemalige Direktor des National Economic Council des Präsidenten Obama vertritt die Ansicht, dass wir möglicherweise in einem langfristigen Gleichgewicht stecken, wo die Realzinsen negativ sein müssten, um angemessene Nachfrage zu generieren. Ohne negative Realzinsen sind wir daher zu einer lange anhaltenden Stagnation verdammt.

Was aber aus Sicht der Autoren in Sachen secular stagnation übersehen wird, ist die entscheidende Rolle, die die höchst ungleiche Verteilung des Vermögens dabei spielt.



Vermögen (in wenigen Händen) und Ungleichheit, Graph: Atif Mian und Amir Sufi in: Capital Ownership and Inequality

Patrimonial Kapitalismus: Drift in Richtung Oligarchie

Paul Krugman nennt das neue Buch von Thomas Piketty, dem französischen Ökonomen „Opus Magnum“. Das Meisterwerk handelt von der Drift in Richtung Oligarchie in der westlichen Gesellschaft .

Der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor beschreibt in seiner lesenswerten Kolumne („Wealth over work“) am Montag in NYTimes, wie das Buch die wachsende Konzentration von Einkommen in den Händen einer kleinen wirtschaftlichen Elite dokumentiert.

Piketty präsentiert zugleich starke Argumente dafür, dass wir auf dem Weg zum „patrimonial capitalism“ sind, wo die Kommandohöhen der Wirtschaft nicht nur von Reichtum dominiert werden, sondern auch von dem ererbten Vermögen, wo es viel mehr auf die Geburt ankommt, und nicht auf Leistung und Talent.

Um es sicherzustellen: Piketty räumt ein, dass wir noch nicht so weit sind. Aber sechs von zehn reichsten Amerikanern sind bereits Erben statt self-made-Unternehmer, unterstreicht Krugman. Wie Piketty bemerkt, ist das Risiko einer Drift in Richtung Oligarchie real und bietet kaum Anlass zum Optimismus.

In der Tat. Wenn man sich sogar noch weniger optimistisch fühlen will, überlege man sich, was viele Politiker im Schilde führen. Amerikas entstehende Oligarchie mag sich noch nicht vollständig gebildet haben. Aber eine der zwei grossen Parteien der USA scheint bereits engagiert, die Interessen der Oligarchie zu vertreten, wie Krugman darlegt.



Die 1 Prozent in der „ownership society“, Graph: Prof. Paul Krugman

Samstag, 22. März 2014

Deflationsgefahr im Euro-Raum und unkonventionelle Massnahmen

Die EZB unterläuft seit einem Jahr ihre Zielmarke von 2% für die Inflationsrate im Euro-Raum.

Es ist zwar ein offenes Geheimnis, dass die EZB eine asymmetrische Geldpolitik betreibt. Aber die EU-Behörden scheinen die Gefahr der disinflationären Kräfte trotzdem nicht ernst zu nehmen. Zumal der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) im privaten Sektor in Europa noch anhält und die fortbestehende Niedriginflation (lowflation) die reale Last der Schulden erhöht (debt-deflation).

Bemerkenswert ist, dass die EZB selbst in den kommenden Jahren nicht mit einem Anstieg der Inflation rechnet: 2014: 1,0%, 2015: 1,3% und 2016: 1,5%.

Die derzeitige Inflationsentwicklung verstärkt den Anlass zur Sorge vor einer möglichen Deflation im Euro-Raum, schreiben Ökonomen bei DIW Berlin in einer diese Woche vorgelegten Forschungsarbeit („Deflationsgefahr im Euro-Raum“).

Die am am harmonisierten Verbraucher-Preisindex (HVPI) gemessene Inflationsrate sinkt seit Jahren kontinuierlich. Im Januar lag sie bei nur mehr 0,8% und im Februar bei 0,7% und damit deutlich unterhalb des von der EZB festgelegte Zielwertes von 2% auf mittlere Sicht.

Auch die (um die schwankungsanfälligen bereinigte) Kerninflation (core inflation) ist mit knapp 1% sehr niedrig. Aktuell erleben Griechenland und Zypern als die einzigen Mitgliedsländer Deflation.



Inflationsraten (HICP) im Euro-Raum, Graph: DIW, Berlin in: Grenzen der konventionellen Geldpolitik, März 2014

Inflation-Risikoprämien könnten weiter fallen

Janet Yellen, die neue Fed-Vorsitzende hat am 19. März die Zinsen (Fed Funds Rates) bei 0%-0.25% unverändert belassen.

Der Repo-Satz für die Beschaffung kurzfristiger Liquidität (US repo on general collateral) betrug am Freitag am Handelsschluss 0,0675%.

Es handelt sich hierbei um Wertpapiere, die als Sicherheit hinterlegt werden, die gewissen Anforderungen (wie z.B. Bonität und Liquidität) entsprechen müssen. Aufgrund der Sicherheit liegen die Repo-Sätze i.d.R. unter dem Geldmarktzinssatz.

Die Realzinsen gemessen an Renditen für die inflationsgeschützten US-Staatsanleihen (TIPS) belaufen sich für 5 Jahre auf minus 0,455%, 10 Jahre 0,596% und 30 Jahre 1,326%.

Bemerkenswert ist, dass auch der Swap Spread für US-Staatsanleihen mit 30 Jahren Laufzeit nach wie vor negativ ist: -1,7 Basispunkte (zum Vergleich 10 Jahre: +12,3 Basispunkte).

Das FOMC-Statement vom Mittwoch wurde im Markt wie ein Hinweis auf Straffung des geldpolitischen Kurses wahrgenommen. Die Realzinsen am kurzen Ende der Ertragskurve sind etwas angestiegen.

Interessant ist daher, zu beobachten, wie die Inflation-Risikoprämien, die im vergangenen Jahren gefallen sind, sich nun verhalten. Der geldpolitische Aussschuss (FOMC) der Fed hat nämlich mitgeteilt, dass der obere Schwellenwert von 2,5% eliminiert wird.

Das heisst, dass die Fed nicht einen Anstieg der Inflation erwartet, bevor der Arbeitsmarkt sich hinreichend (bis Zinserhöhung notwendig wird) erholt. Wenn dem so ist, warum hat die Fed aber einen „hawkish“-Ton angeschlagen? Es lohnt sich daher, einen Blick auf den Markt für TIPS zu werfen.


Inflationserwartungen, die auf Umfragen und Markt (US-Treasury TIPS) beruhen, Graph: Tiffany Wilding, Morgan Stanley

Freitag, 21. März 2014

Zaghaftigkeit in Politik und die fatalen Konsequenzen

Es scheint im Moment keine allzu grosse Wirtschaftskrise im Gang zu sein. Und die Politiker klopfen sich in vielen Orten selbst auf die Schulter, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Timidity Trap“) am Freitag in NYTimes.

Leider zeigt das, wie wir uns an die schrecklichen wirtschaftlichen Bedingungen gewöhnt haben. Wir sind schlimmer daran als jemand vor ein paar Jahren sich hätte vorstellen können. Doch scheinen die Leute die miserable Situation als „new normal“ zu akzeptieren, legt Krugman dar.

Wie konnte das passieren? Eine wichtige Fehlerquelle beschreibt Krugman als „Scheu-Falle“ (timidity trap): Die konsequente Tendenz der Politiker, die im Grunde genommen die richtigen Ideen haben, aber in der Praxis halbherzige Massnahmen treffen. Und auf diese Weise geht die Zaghaftigkeit nach hinten los, politisch und auch wirtschaftlich.

Mit anderen Worten hat Yeats recht: Dem Besten fehlt die Glaubwürdigkeit, während das Schlimmste voller leidenschaftlicher Intensität ist.

Zum Schlimmsten: Wenn man die wirtschaftliche Debatte in den letzten Jahren verfolgt hat, weiss, dass sowohl Amerika als auch Europa über starke "pain caucuses“ („Aktionsgemeinschaft Schmerz“) verfügen:

Einflussreiche Gruppen stellen sich heftig gegen jede Politik, die Arbeitslosen wieder Beschäftigungsmöglichkeiten bieten würde. Es gibt zwar einige wichtige Unterschiede zwischen den „pain caucuses“ in den USA und in Europa. Aber beide legen wirklich eindrückliche Erfolgsbilanz an den Tag, nie im Zweifel immer falsch zu liegen.

SNB sieht Disinflation in Europa als grosse Herausforderung

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat in der gestern abgegebenen geldpolitischen Lagebeurteilung bereits im ersten Satz betont, am Mindestkurs von 1,20 CHF pro EUR festzuhalten.

Der CHF ist nach wie vor hoch bewertet und die SNB steht bereit, den Mindestkurs wenn nötig durch den Kauf von Devisn in unbeschränkter Höhe durchzusetzen und bei Bedarf weitere Massnahmen zu ergreifen.

SNB-Präsident Thomas Jordan hält den Mindestkurs für das angemessene Instrument, um eine unerwünschte Verschärfung der monetären Rahmenbedingungen zu verhindern.

Die SNB ist entschlossen, einen Aufwertungsdruck auf den CHF nicht zu dulden. Das Zielband für den 3-Monats-Libor wurde bei 0%-0,25% belassen.

Bemerkenswert ist, dass die SNB die Inflationsprognose noch einmal nach unten angepasst hat. Vor diesem Hintergrund ist zu erwähnen, dass der Schweizer Verbraucherpreis-Index (CPI) neulich wieder in den negativen Bereich gerutscht ist. Die SNB betrachtet die CHF-Stärke als Grund für die Niedriginflation.

Die Inflationserwartungen der SNB vom 20. März 2014:

2014: 0%
2015: 0,4%
2016: 1,0%

Für die Schweiz sind damit auf absehbare Zeit keine Inflationsrisiken erkennbar. Die Zinsen dürften daher noch eine lange Zeit nahe Null (zero lower bound) verharren, zumal die SNB zur Zeit nicht einmal das Wort „Normalisierung der Geldpolitik“ oder „Exit-Strategie“ ausspricht.




Inflationsprognose der SNB vom 20. März 2014, Graph: SNB

Donnerstag, 20. März 2014

Gefahr fallender Preise

Janet Yellen, die neue Vorsitzende der US-Notenbank (Fed) hat gestern in ihrem ersten Auftritt vor Journalisten im Anschluss der FOMC-Sitzung erklärt, dass die gegenwärtige Situation nach wie vor niedrige Zinsen erfordert.

Die Fed werde daran festhalten, auch wenn die Arbeitslosenquote und die Inflation wieder normale Werte erreichen sollten. Bemerkenswert war die Betonung, dass der geldpolitische Ausschuss anerkenne, dass die Inflation dauerhaft unter dem Zielwert von 2% Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung darstelle.

Vielleicht klingelt Mario Draghi, dem EZB-Präsidenten die Ohren. Die EZB betreibt nämlich eine asymmetrische Geldpolitik, wie Paul De Grauwe in einem lesenswerten Interview mit Finanz & Wirtschaft hervorhebt.

Obwohl die EZB auf mittlere Sicht ein Inflationsziel von 2% anstrebt, unternimmt sie nicht, wenn die Inflation um 100 Basispunkte (d.h. 1%) unter den Zielwert fällt. Würde aber die Inflationsrate im ähnlichen Ausmass über 2% steigen, würde die EZB sofort reagieren.

Zur Erinnerung: Die EZB hat 2011 die Zinsen zweimal (April und Juli) wider besseres Wissen angehoben. Begründet wurde die stupide Aktion damals mit dem Hinweis auf die Energiepreise, die vorübergehend angestiegen waren.



Fallende Preise im Euro-Raum; Tendenz steigend, Graph: Bloomberg, Deflation: „The Trouble With Falling Prices

Mittwoch, 19. März 2014

Bank of England erklärt, wie Geld geschöpft wird

Die britische Zentralbank (Bank of England) hat vergangene Woche einen viel beachteten Artikel (“Money creation in the modern economy“)
veröffentlicht.

Die Mitarbeiter der BoE erklären im „Quarterly Bulletin 2014 Q1“ die Geldschöpfung auf eine Art und Weise, die einigen herkömmlichen und bewährten Lehrbüchern der Ökonomie im krassen Widerspruch steht.

Die Autoren beschreiben, dass das meiste Geld in der modernen Wirtschaft durch die Kreditvergabe der Geschäftsbanken geschaffen wird. Die Banken agieren nicht einfach als Vermittler (intermediaries), die die Einlagen, die die Sparer bei den Banken hinterlegen, als Kredit weiter geben. Und sie „vermehren“ auch nicht die Notenbankgeldmenge (monetary base), um neue Kredite und Einlagen zu schöpfen.

Die Menge des Geldes, die in einer Wirtschaft geschaffen wird, hängt letztlich von der Geldpolitik der Zentralbank ab. In normalen Zeiten geschieht dies durch die Festlegung der Zinsen. Die Zentralbank kann also auf die Menge des Geldes direkt Einfluss nehmen, indem sie Vermögenswerte (assets) im Markt aufkauft oder „QE-Politik“, d.h. mengenmässige Lockerung der Geldpolitik betreibt.

In der modernen Wirtschaft erfolgt das meiste Geld in Form von Bank-Einlagen. Wie diese Bank-Einlagen geschaffen werden, wird aber zumeist missverstanden, unterstreichen die Verfasser des Artikels. Der wichtigste Weg geht durch die kommerziellen Banken, die Kredite vergeben. Wann immer eine Bank ein Darlehen gibt, schafft sie gleichzeitig eine entsprechende Einlage im Konto des Kreditnehmers bei der Bank. So wird Geld geschöpft.



Wie Geldschöpfung geschieht, Graph: Bank of England (BoE) in: Quarterly Bulletin 2014 Q1

Dienstag, 18. März 2014

Die Kluft zwischen Produktivität und Median-Realeinkommen

Die folgende Abbildung zeigt die Produktivität oder Produktion pro Arbeitsstunde seit 1947 in den USA. Eine spektakuläre Errungenschaft, bemerken Atif Mian und Amir Sufi dazu in ihrem Blog.

Der Anstieg der Produktivität war von 1947 bis 1980 ziemlich weit geteilt. Doch die Autoren richten das Augenmerk auf die bemerkenswerte Trennung von Produktivität und Median Realeinkommen seit 1980.

Während die USA derzeit im Vergleich zu 1980 pro Stunde doppelt so viel produzieren, geht nur ein kleiner Teil dieses Anstiegs zu Gunsten derjenigen Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung.

Die Kluft zwischen Produktivität und Median Realeinkommen hat mittlerweile ein historisches Allzeit-Hoch erreicht.




Produktivität und Median Realeinkommen in den USA, Graph: Prof. Atif Mian und Prof. Amir Sufi  in: „The most important economic chart

EZB schaut zu, wie die Preise im Euro-Raum weiter fallen

Die Verkaufspreise (PPI) im Grosshandel in Deutschland sind im Februar 2014 im Jahresvergleich um 1,8% gesunken. Die Jahresveränderungsrate hatte im Januar 2014 -1,7% betragen.

Auch die jährliche Inflation im Euro-Raum ist im Februar gesunken, und zwar auf 0,7%, wie eurostat gestern mitgeteilt hat. Damit liegt die Inflation in der gesamten EU, in allen Ländern deutlich unter  dem Zielwert der EZB von 2 Prozent.

In Frankreich, Italien und Spanien fallen die Erzeugerpreise (PPI) bereits seit einigen Monaten. Die absolut fallenden Preise verschlimmern die ohnehin angespannte Situation an der EU-Peripherie zusätzlich, weil dadurch die reale Last der Verschuldung (debt-deflation) steigt.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Euro-Raum Risiken eines Anfalls von Deflation oder von weiter fallenden Preise erleidet.

Zudem erhöht der starke Euro den Abwärtsdruck auf die Inflation dadurch, dass (1) die Einfuhren sich verbilligen und (2) die Ausfuhren sich im internationalen Vergleich verteuern.



Grosshandelspreise in Deutschland, Graph: Statistisches Bundesamt, destatis

Montag, 17. März 2014

Euro-Wechselkurs und Deflationspolitik im Euro-Raum

Heiner Flassbeck trifft wieder einmal den Nagel auf den Kopf.

Worum geht es? Die EZB bleibt trotz der anhaltenden Flaute und der zunehmenden Disinflationsgefahr im Euro-Raum zurückhaltend, die Geldpolitik weiter zu lockern.

Mario Draghi hat die Zinsen auf der EZB-Sitzung vom 6. März 2014 überraschend unverändert belassen.

Bemerkenswert war dabei die Begründung der Untätigkeit der EZB auf der anschliessenden Pressekonferenz.  

Draghi hat gesagt, dass die Inflation wieder auf nahe 2% steigen werde, wenn die Erholung der Wirtschaft sich fortsetze. Zugleich werde der Realzinsabstand (real interest rate spread) zwischen dem Euro-Raum und dem Rest der Weltwirtschaft wahrscheinlich zurückgehen. Das werde den Wechselkurs unter Abwärtsdruck setzen.

Im Klartext: Der Wert der Gemeinschaftswährung ist zwar gestiegen. Aber wenn die Realzinsen im Euro-Raum fallen, wird sich das Problem von selbst lösen.

Betreibt Draghi damit eine Art Seelenmassage oder eine schlechte Geldpolitik? Oder beides?



Lohnstückkosten und Kerninflation im Euro-Raum, Graph: Morgan Stanley

Sonntag, 16. März 2014

Abzahlungskredite (1920) und Subprime-Hypotheken (2000)

Atif Mian und Amir Sufi deuten in ihrem Blog auf eine im November 1930 in „Quarterly Journal of Economics“ veröffentlichte Analyse von Charles Persons hin.

Persons These („Credit Expansion, 1920 to 1929, and Its Lessons“) lautet, dass die „grosse Welle der Kreditexpansion in den vergangenen zehn Jahren“ im Wesentlichen die Ursache der bestehenden Depression gewesen ist.

Es gab ein enormes Wachstum in Hypothekenschulden. Nominal sind die ausstehenden Hypothekenschulden laut Persons von 1920 bis 1929 um mehr als das 8-fache gestiegen.

Persons betont v.a. den Anstieg der Abzahlungskredite (installment debt), d.h. Verbraucherkredite für den Kauf von neuen Möbeln, Bekleidung, Nähmaschinen und Autos. Wie andere Ökonomen beobachteten, wurde der Konsum auf Kredit damals zwischen 1900 und 1920 als normal angesehen.



Atif Mian and Amir Sufi: House of Debt, Graph: University of Chicago Press

Fast-Track und Super-Secret TPP-Abkommen

Handelsabkommen sind ein Thema, das dazu führen kann, dass Augen trüb werden. Deshalb sollten wir alle aufpassen, schreibt Joe Stiglitz in einem lesenswerten Artikel („On the Wrong Side of Globalization“) am Sonntag in NYTimes.

Gerade jetzt gibt es Vorschläge, die die meisten Amerikaner auf der falschen Seite der Globalisierung betreffen, ja bedrohen, unterstreicht der an der Columbia University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die widerstreitenden Ansichten über die Vereinbarungen zerren tatsächlich am Gefüge der Demokratischen Partei, obwohl man es aus Präsident Obamas Rhetorik nicht schliessen würde.

In seiner Rede zur Lage der Nation (State of the Union) hat Obama sich auf „neue Handelspartnerschaften“ bezogen, die mehr Arbeitsplätze schaffen würden. Zumeist geht es um die Trans-Pacific Partnership (TPP), die 12 Länder zusammenbringt, was die grösste Freihandelszone der Welt würde entstehen lassen.

Verhandlungen für die TPP begannen im Jahr 2010 für den Zweck, wie der US-Handelsbeauftragte hervorhebt, Handel und Investitionen zu erhöhen, durch Senkung der Zölle und andere Handelsbarrieren zwischen den beteiligten Ländern.

Aber die TPP-Verhandlungen finden im Verborgenen statt, die uns keine andere Wahl lassen, als uns auf durchgesickerte Entwürfe zu verlassen, und Mutmassungen über die vorgeschlagenen Bestimmungen anzustellen.



Transpazifische strategische wirtschaftliche Partnerschaft (TPP), Graph: NYTimes

Samstag, 15. März 2014

Schuldenabbau nimmt und nimmt kein Ende

Die amerikanische und die europäische Wirtschaft standen 2008 nahe Kernschmelze. Die privaten Haushalte waren zu hoch verschuldet und die Finanzinstitute unterkapitalisiert (zu wenig Eigenkapital & zu viel Fremdkapital) in einem schwach regulierten Marktumfeld.

Seither ist die Wirtschaft mit Schuldenabbau (deleveraging) beschäftigt. Was problematisch ist, dass im Euro-Raum auch die öffentliche Hand die Ausgaben senkt, während der private Sektor weiter um Schuldenabbau bemüht ist.




Wie die Geschichte nahelegt, scheint der Schuldenabbau noch länger anzuhalten, Graph: Morgan Stanley

OMT-Programm und eine irreführende Wirtschaftstheorie

Paul de Grauwe befasst sich in einem lesenswerten Artikel („Economic theories that influenced the judges of Karlsruhe“) in voxeu mit der Wirtschaftstheorie, die hinter der (v.a. in der deutschen Politik anschaulich artikulierten) Ablehnung des EZB-Programms zum Ankauf von Staatsanleihen im Euro-Raum steckt.

Zur Erinnerung: Das deutsche Verfassungsgericht hat neulich das OMT-Programm mit dem EU-Recht für unvereinbar erklärt. Das Urteil lautet: Die EZB überschreitet mit der Massnahme das Mandat der EWU.

Karlsruhe hat dann den Ball zur Vorabentscheidung nach Luxemburg zugespielt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll darüber befinden, ob Anleihekäufe in das Mandat der EZB fallen oder nicht. Die Luxemburger Richter sollen also über die Euro-Rettung entscheiden. Das ist einmalig, dass das Bundesverfassungsgericht dem EuGH eine Rechtsfrage zur Prüfung vorlegt.

Bemerkenswert ist, dass das im Sommer vorgestellte OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) bisher nicht zum Einsatz kam. Dennoch ist es der EZB gelungen, mit der Ankündigung der Massnahme die Finanzmärkte zu beruhigen, vor allem was die Risikoaufschläge für italienische und spanische Staatsanleihen betrifft. Die Spreads haben sich nämlich inzwischen deutlich zurückgebildet.

Der an der London School of Economics lehrende Wirtschaftsprofessor vertritt die Meinung, dass (1) die Theorie der effizienten Märkte, die den Eckpfeiler eines der wichtigsten Argumente der Richter aus Karlsruhe bildet, auf wackeligen Füssen steht und (2) das deutsche Verfassungsgericht die fiskalischen Auswirkungen des OMT-Programms auf eine falsche, aber populäre Ansicht in Bezug auf das Funktionieren der Zentralbanken abstellt.

Freitag, 14. März 2014

Wer hat Angst vor einem Anstieg der Löhne in der westlichen Welt?

Die Situation auf dem Arbeitsmarkt bleibt tragisch. Paul Krugman befasst sich vor diesem Hintergrund in seiner lesenswerten Kolumne („Fear of Wages“) am Freitag in NYTimes, wie die Debatte über die Wirtschaftspolitik von der Elite bereits vor vier Jahren trotzdem gelenkt wurde.

Die einflussreichen Menschen in der ganzen westlichen Welt haben sich davon überzeugen lassen, warum das Thema Haushaltsdefizit eine vielmehr existenzielle Bedrohung darstellt als die Massenarbeitslosigkeit, so der noch an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Das Ergebnis war eine Wendung zu harschen Sparmassnahmen (fiscal austerity), die die Wirtschaftskrise inzwischen vertieft und verlängert haben, mit unermesslichem Leid für die Menschen.

Und es passiert wieder. Plötzlich scheint es so, als ob alle seriösen Menschen einander erzählen würden, dass es auf dem Arbeitsmarkt trotz der hohen Arbeitslosigkeit kaum Flaute herrscht und die Fed bald anfangen soll, die Zinsen zu erhöhen, um die Gefahr von Inflation auszuschalten.

Insgesamt würde Umsicht sicherlich nahelegen, dass noch abgewartet werden soll, bis es handfeste Beweise für einen Anstieg der Löhne gibt. Und dann gelte es zuzuwarten, bis das Lohnwachstum zumindest wieder auf das Vorkrisenniveau oder vorzugsweise höher kommt.

Doch aus irgendeinem Grund gibt es einen wachsenden Paukenschlag von Forderungen, dass wir nicht warten sollen und uns stattdessen darauf vorbereiten, die Zinsen sofort oder zumindest sehr bald anzuheben.

Worum geht es?



Employment Cost Index (ECI)  USA (“Personalkosten”, d.h. Löhne und Zusatzleistungen), Graph: Prof. Paul Krugman

Donnerstag, 13. März 2014

Die EZB soll US-Staatsanleihen kaufen

Im Sommer 2002 hat die EZB hat durch die Ankündigung des OMT-Programms dafür gesorgt, dass die Abwärtsspirale im Markt für Euro-Staatsanleihen zu Ende kam.

Mario Draghis Aussage, dass die EZB alles unternehmen würde, “koste es was es wolle” (what ever it takes), um die Gemeinschaftswährung zu retten, hat zudem zu einer spürbaren Entspannung der Risikoaufschläge (spreads) für Staatsanleihen von z.B. Italien, Portugal und Spanien beigetragen.

Allerdings ist es Draghi nicht gelungen, die Preisstabilität aufrechtzuerhalten. Die EZB verfehlt den von der EU gemeinsam festgelegte Zielwert von 2% (auf mittlere Sicht) um fast 100 Basispunkte (d.h. 1%). Die Inflation lag zuletzt im Februar auf 0,8%.

Auch die Kerninflation verläuft im Euro-Raum seit geraumer Zeit deutlich unter 1 Prozent. Das ist schlecht, weil der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) in hoch-verschuldeten EU-Mitgliedstaaten dadurch erschwert wird. Niedriginflation (lowflation) erhöht die reale Last der Schulden. Es gibt keinen Preisdruck, weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schwach ist.

Die reale Nachfrage steht im Euro-Raum heute immer noch 5% niedriger als im ersten Quartal des Jahres 2008, d.h. vor dem Ausbruch der Krise. Fallende Investitionen bedeuten anhaltende Arbeitslosigkeit. Und die menschlichen Kosten werden mittlerweile unermesslich.

Trotzdem deutet EZB-Chef Draghi an, für absehbare Zeit nicht zu handeln. Dabei müsste die EZB die Geldpolitik weiter lockern. Aber wie? Die nominalen Zinsen liegen bereits nahe Null (zero lower bound). Eine QE-Politik (quantitative easing) à la Fed und/oder BoJ kommt aus ideologischen Gründen nicht in Frage.

Mittwoch, 12. März 2014

Kapital im 21. Jahrhundert und die Frage der Verteilung

Die Meinungselite pflegt zu sagen, dass die Einkommensungleichheit kein wirtschaftliches Problem ist und wir uns darum nicht kümmern sollen. Die Marktwirtschaft sorge dafür, dass der Reichtum und der Wohlstand gerecht verteilt werden, sodass am Schluss alle davon profitieren.

Thomas Piketty will nun in seinem im April erscheinenden Buch (Capital in the Twenty-First Century in Harvard University Press) die Frage der Verteilung und die Untersuchung der langfristigen Trends wieder in den Mittelpunkt der ökonomischen Analyse stellen.

Die Konzentration des Wohlstands und des Einkommens wurde im 20. Jahrhundert seiner Meinung nach durch Kriege, Inflation und Wachstum verhindert.

Der Abbau der Ungleichheit ist demnach zumeist durch Kapital-Schocks in den Jahren 1914-15 (Zerstörung und Krisen) und durch fiskalische und soziale Institutionen, die in Folge der Weltkriege und der Great Depression errichtet wurden, möglich gewesen.

In der Vergangenheit war die wichtigste ausgleichende Kraft (zwischen und innerhalb der Länder) die Verteilung von Wissen und Kenntnissen. 

Dieser positive Prozess kann jedoch ohne inklusive Bildungseinrichtungen und kontinuierliche Investitionen in Fertigkeiten (skills) nicht funktionieren. Das ist laut Piketty eine grosse Herausforderung im gegenwärtigen Jahrhundert.



Thomas Piketty: Capital, Graph: Harvard University Press