Samstag, 30. August 2014

Wie hoch ist „hohe Körperschaftsteuer“ in der Praxis?

Immer dieselbe Leier: Die geschäftsführenden Vorstandsmitglieder der grössten US-Konzerne beschweren sich ständig über das Steuersystem und hohe Unternehmensbesteuerung.

Das Problem hat in den USA im Sommer 2014 mittlerweile einen Siedepunkt erreicht. Viele grosse amerikanische Unternehmen strengen sich an, kleinere ausländische Rivalen zu kaufen („steueroptimierende Übernahmetrickserei“), damit sie ihre „unternehmerische Staatsbürgerschaft“ aufgeben und die der ausländischen Gesellschaft im Übersee annehmen, um Steuerlast zu senken.

Manche Unternehmen erwägen sogar, den Hauptsitz ins Ausland zu verlagern (inversion).

Immer wieder hören wir, dass Unternehmen solche Massnahmen treffen, um sich wettbewerbsfähiger zu machen. Die Lösung sei, das Steuersystem zu reformieren und Körperschaftssteuersätze zu senken.

Stimmt aber die Geschichte? Nicht ganz, sagt Edward D. Kleinbard, wie Andrew Ross Sorkin in Dealbook, dem Blog von NYTimes ausführlich schildert.

Der an der University of Southern California lehrende Wirtschaftsprofessor vertritt die Ansicht, dass das US-Steuersystem die globale Wettbewerbsfähigkeit der US-Unternehmen nicht beinträchtigt. Es ist tatsächlich das Gegenteil der Fall, wie aus seiner jüngsten Studie („Competitiveness has nothing to do with it“) hervorgeht.

Es wird aber bei jeder Gelegenheit erzählt, dass die USA mit 35% die höchsten Unternehmenssteuern aller Industrieländer haben: Irland 12,5%, Grossbritannien 21%, Niederlande 25% usw. Der entsprechende Wert im OECD-Durchschnitt liegt auf 24,1%.

Das mag alles stimmen. Aber die meisten multinationalen Unternehmen der Vereinigten Staaten zahlen nicht annähernd 35% Steuern, so Kleinbard. US-Konzerne zahlen im Durchschnitt 12,6% gemäss Daten von Government Accountability Office aus dem Jahr 2010, dadurch dass sie absichtlich Haufen Bargeld im Ausland verstecken.

Unternehmen wandern ins Ausland nicht wegen der angeblich tieferen Steuersätze, sondern wegen der Möglichkeit, dort das Bargeld zu lagern, erklärt Prof. Kleinbard weiter. US-Unternehmen sitzen heute auf einem Berg von 2‘000 Mrd. USD Bargeld.

Apple, das wertvollste Unternehmen der Welt hat 2013 gezeigt, dass multinationale Unternehmen oft auf ihre Offshore-Gelder zurückgreifen können, ohne Steuerkosten erleiden zu müssen. Es geschieht so, dass das Unternehmen in den USA Kredit aufnimmt, und die Zinserträge auf das Bargeld im Ausland verwendet, um die Zinsen auf den Kredit in den USA zu zahlen.

Das amerikanische Steuersystem erlaubt es Unternehmen, die Zinserträge auf Cash-Positionen im Ausland (offshore) in die Einnnahmen der Muttergesellschaft in den USA einzubeziehen. Damit wird die steuerliche Absetzbarkeit von Zinsaufwand auf die Kreditaufnahme in den USA ausgeglichen. Im Ergebnis sieht es so aus, als ob das Unternehmen seine Cash-Positionen im Ausland steuerfrei in die USA gebracht hätte.

Als Fazit hält Kleinbard fest, dass das US-Steuersystem nicht vollkommen ist. Aber es erwächst daraus keine unfaire Steuerlast, die die globale Wettbewerbsfähigkeit der multinationalen Unternehmen schwächen würde.

PS: Passend zum Thema ist ein weiterer, lesenswerter Artikel („Who pays corporate taxes?“) von Justin Fox in HBR. Der Autor argumentiert, dass es nicht die multionationalen Unternehmen sind, die Körperschaftsteuer zahlen, sondern die Bürger in Form von niedrigeren Löhnen und schrumpfenden Sozialleistungen.


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