Freitag, 18. April 2014

Geldmultiplikator und Nullzinsgrenze

Die auf die Finanzkrise von 2008 folgende schwere Rezession ist in gewisser Hinsicht mit der Great Depression in den 1930er Jahren vergleichbar, weshalb viele Ökonomen heute von Great Recession sprechen, was langanhaltende hohe Arbeitslosigkeit und aussergewöhnlich niedrige Nominalzinsen auch nahelegen.

Wenn die Nullzinsgrenze (zero lower bound) erreicht wird, kann die Notenbank die Geldpolitik mit konventionellen Mitteln nicht mehr weiter lockern. Extremsituationen erfordern ausserordentliche Massnahmen.

Die führenden Notenbanken haben daher auf unkonventionelle Instrumente wie z.B. QE-Politik (quantitative easing) zurückgreifen müssen, um die Finanzstabilität zu gewährleisten und umfangreiche Liquiditätshilfe zu gewähren.

Weltweit wurden neue Werkzeuge entwickelt und sog. makroprudenzielle Massnahmen getroffen.

Der Einsatz der neuen Instrumente (wie z.B. mengenmässige Lockerung der Geldpolitik durch Anleihe-Käufe am offenen Markt) hat u.a. zu einem massiven Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) geführt.

Die Anhänger der neoklassischen Lehre wurden in den vergangenen fünf Jahren trotzdem nicht müde, mit Hinweis auf die massive Ausdehnung der Notenbank-Bilanzen einen kräftigen Anstieg der Inflation vorauszusagen.



Geldmultiplikator kommt zum Erliegen, wenn die nominalen Zinsen auf der Null-Grenze (zero lower bound) prallen, Graph: Morgan Stanley

Die Meinungselite lag von Anfang an falsch. Nun argumentieren sie, dass die  Inflation nicht gestiegen sei, weil die US-Notenbank auf die Reserven der Geschäftsbanken einen Zins (*) zahle. Die Fehlprognose sei deswegen verzeihlich, zumal die Weltwirtschaft seit den 1930er Jahren so etwas nicht erlebt habe. Es sei quasi eine vollkommen neuartige Situation.

Das ist auch falsch. Japan hat in den frühen 2000er Jahren die Notenbankgeldmenge (=Giroguthaben der Banken bei der Zentralbank  + Noten im Umlauf) massiv erhöht. Und es kam nicht zu Inflation. Ganz im Gegenteil ringt die japanische Notenbank (Bank of Japan) seither mit Deflation.

Die orthodoxe Ökonomie scheint sich, zu weigern, den Realitätstest anzuerkennen. Die Neoklassiker haben weder die theoretische noch die empirische Basis ihrer Behauptungen stützen können.

Andererseits hat ein Verfechter der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik schon 1998 anhand eines einfachen IS-LM-Modells erklärt, warum die expansive Geldpolitik nicht inflationär wirkt, wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt.

In der Abbildung, die in einer Analyse von Morgan Stanley gestern vorgelegt wurde, ist es schön zu sehen, wie der Geldmultiplikator nicht funktioniert, wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen, während die Wirtschaft aufgrund der fehlenden Nachfrage in einer tiefen Krise steckt. Das ist damit auch der Grund, warum es einer expansiven Fiskalpolitik bedarf, wenn die Geldpolitik nicht mehr greift.


(*) Das Argument ist natürlich unglaubwürdig, wenn man nicht erwartet, dass die Verzinsung der Reserven mit 0,25% über 3‘000 Mrd. USD sterilizieren kann.

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