Sonntag, 14. Juli 2013

Welche Optionen hat die EZB noch?

Die Eurozone steckt in Rezession. Die Austerität funktioniert nicht. Der Neoliberalismus ist gescheitert. Die Inflation ist niedrig. Und die Risikoaufschläge der Staatsanleihen der EU-Länder an der Peripherie weitet sich gegenüber deutschen Bundesanleihen wieder aus. Es droht Rückfall in Nationalismus.

Die EZB hat am 4. Juli zum Ersten Mal in der fast 15-jährigen Geschichte mitgeteilt, die Zinsen für einen ausgedehnten Zeitraum niedrig zu halten. Unabhängig davon, was „ausgedehnt“ konkret bedeutet, handelt es sich dabei um die Ankündigung von Forward Guidance. Genau wie Ben Bernanke, der US-Notenbankpräsident bedient sich nun auch Mario Draghi, der EZB-Präsident eines kommunikativen Mittels, die Geldpolitik zu steuern, während die Wirtschaft schwer angeschlagen ist.

Würde Draghi die Forward Guidance mit Angabe eines bestimmten Termins und/oder Schwellenwertes konkretisieren, würde es helfen, die Erwartungen in Bezug auf niedrige Zinsen adäquat zu verankern. Das einzigartige Mandat der EZB für die Preisstabilität dürfte jedoch dabei ein Hindernis darstellen, zumal das deutsche Verfassungsgericht das OMT-Programm im September abwerten könnte. Dennoch stehen der EZB drei Instrumente zur Verfügung, monetäre Rahmenbedingungen in der Eurozone zu entspannen, berichten Evan Brown und Calvin Tse von Morgan Stanley in einer am Freitag vorgelegten Forschungsarbeit.

(1) Konventionelle Geldpolitik: Die EZB könnte die Zinsen (konkret: den Refi-Satz) weiter senken. Draghi hat kürzlich gesagt, dass die EZB operationell bereit sei, negative Zinsen auf Einlagen einzuführen. Der Satz für die Einlagefazilität, den die Banken erhalten, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB parken, unter die Null-Marke fallen. Eine „doppelte-Zinssenkung“ könnte den EONIA-Satz senken und die Refinanzierungskosten in Interbankengeschäften verbilligen.



EONIA 1y/1y, Graph: Evan Brown and Calvin Tse, Morgan Stanley

(2) Weitere Einspritzung von Liquidität: Die EZB könnte die Zinsen senken und mit einer neuen Runde von LTRO weitere Überschussliquidität in das Finanzsystem pumpen, um die Angst vor einer potenziellen passiven Straffung des geldpolitischen Kurses zu besänftigen, weil die Überschussliquidität ja wegen der Rückzahlung der vorhergegangenen LTRO abnimmt. Die weitere Liquidität könnte auch für den Kauf von ausländischen Vermögenswerten eingesetzt werden. Die SNB macht es vor. Die Schweizerische Nationalbank hat im eigenen Portfolio den Anteil an Aktien auf 15% erhöht.

(3) Unkonventionelle Geldpolitik mit neuen Instrumenten: Die EZB müsste über neue Instrumente nachdenken, um die Störung der geldpolitischen Transmission zu beenden. Mario Draghi muss herausfinden, mit welchen geldpolitischen Instrumenten diese Störung behoben werden könnte. Die strikte Einhaltung des EZB-Mandats zur Gewährleistung von Preisstabilität ist jedoch ein Erschwernis. Dazu kommt, wie oben erwähnt, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht demnächst die Voraussetzungen für die geldpolitischen Outright-Geschäfte zusätzlich erschweren kann, mit dem Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine versteckte Staatsfinanzierung handelt. Der Einsatz von neuen unkonventionellen geldpolitischen Instrumenten ist zur Zeit daher ziemlich unsicher. 

Die EZB hat jedoch eine Menge Optionen, die Geldpolitik weiter zu lockern. Um die Erwartungen in Hinblick auf die Realzinsen zu stützen, braucht die EZB aber eine offensive Forward Guidance, z.B. mit spezifischen Daten und Schwellenwerten. Warum spricht die EZB aber darüber so offen wie die SNB? Welches Dogma schränkt die Flexibilität ein? In aussergewöhnlichen Krisenzeiten sind aussergewöhnliche Massnahmen erforderlich. Mit Austerität lässt sich kein Wirtschaftswachstum wiederherstellen. 

1 Kommentar:

Moxy hat gesagt…

Es gibt doch genug Werte:
60% public debt reatio
3% Haushaltsdefizit
2% Inflations-Target
Noch mehr Schwellenwerte? Das kann nur ein ganzer Komplex von (volkswirtschaftlichen) Kennzahlen sein, die für jedes einzelne Euroland und den Euroraum gesamt erreicht werden müssten, aus meiner Sicht kaum überschau- und erst recht nicht handhabbar.
Da die SNB im Wesentlichen nur gegenüber dem Euro (60% der Aussenhandelsbeziehung) stabilisierend eingreifen muss, eine dagegen eindimensionale und vergleichsweise einfache Angelegenheit!