Freitag, 12. Juli 2013

Wahnvorstellungen des Populismus in der US-Politiklandschaft

Haben Sie über „libertären Populismus“ noch nie was gehört? Wenn nicht, dann macht Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Delusions of Populism“) am Freitag in NYTimes eine hilfreiche öffentliche Ankündigung. Es ist Quatsch. Die Idee ist hier, dass es ein Reservoir von unzufriedenen weissen Arbeitnehmer-Wählern gibt, die sich letztes Jahr nicht zeigten, die aber mit der richtigen Art eines konservativen Wirtschaftsprogramms wieder mobilisiert werden könnten.

Man kann sehen, warum viele auf der rechten Seite des politischen Spektrums diese Idee ansprechend finden. Es legt nahe, dass die Republikaner ihren früheren Glanz wieder zurückgewinnen können, ohne viel zu ändern: keine Notwendigkeit, nicht-weisse (non-white) Wähler zu erreichen, keine Notwendigkeit  ihre wirtschaftliche Ideologie zu überdenken. Das mag sich anhören wie „zu schön, um wahr zu sein“. Und es ist richtig. Der libertäre Populismus ist zumindest auf zwei Ebenen wahnhaft.

Zunächst einmal beruht die Vorstellung schwer auf der Behauptung des politischen Analysten Sean Trende, dass Mitt Romney im vergangenen Jahr die Wahl wegen der „fehlenden weissen Wähler“ verloren hat: Millionen von zurückgebliebenen, ländlichen, nördlichen Weissen, die an den Urnen nicht erschienen sind. Aber ernsthafte Politologen stellen fest, dass es ein Mythos ist, von fehlenden weissen Wählern zu reden.

Legen wir dieses Entlarvung vorläufig auf die Seite und nehmen an, dass die Republikaner es besser abschneiden könnten, wenn sie mehr Begeisterung unter „abgewerteten“ weissen Wählern auslösen würden. Was kann die Partei anbieten, was eine solche Begeisterung erwecken würde?


Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung, Graph: Monthy Labor Review, July 2012, Unemployment Insurance Recipients via Paul Krugman

So weit man sagen kann, ist es an dieser Stelle libertärer Populismus, der aus der Verteidigung der gleichen alten Politik besteht: Kürzungen bei Arbeitslosengeld, Lebensmittelmarken und Medicaid (staatlicher Gesundheitsdienst für arme Leute). Und während viele non-white Amerikaner auf diese soziale Programme (safety-net) angewiesen sind, sind auch so viele weniger wohlhabende weisse Wähler darauf angewiesen, die der libertäre Populismus angeblich als Wähler erreichen will. Genauer gesagt, mehr als 60% dieser Menschen, die von der Arbeitslosenversicherung profitieren, sind weiss. Etwas weniger als die Hälfte derjenigen Menschen, die die  Lebensmittelmarken benutzen, sind weiss. Das Verhältnis ist aber in den „Wechsel-Bundesstaaten“ (swing states), die sich keiner Partei eindeutig zurechnen lassen, sogar viel höher.


Income-Voting Relationship, Graph: Prof. Paul Krugman

Wenn also Republikaner scharfe Einschnitte beim Arbeitslosengeld vornehmen, den Ausbau von Medicaid blockieren, und tiefe Einschnitte bei der Finanzierung von Essensmarken realisieren wollen, dann würden sie diese Menschen unverhältnismässig hart treffen. Dadurch wird aber auch am Hungertuch nagenden nördlichen weissen Familien, die angeblich mobilisiert werden sollen, Schaden zugefügt, legt Krugman dar.

Was die Frage wieder zum libertären Populismus zurückbringt: es ist Quatsch. Man könnte argumentieren, dass die Zerstörung der sozialen Sicherheit eine libertäre Tat ist. Vielleicht ist Freiheit einfach ein anderes Wort dafür ist, dass man nichts mehr zu verlieren hat. Aber populistisch ist es nicht, fasst Krugman als Fazit zusammen.

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