Samstag, 3. November 2012

Gibt es TBTF wirklich nicht mehr?


Prominente Stimmen innerhalb des Finanzsektors bestehen zunehmend auf dem Argument, dass “too big to fail” (TBTF) zu Ende gegangen ist, schreibt Simon Johnson in einem lesenswerten Artikel („Too big to fail remains very real“) in Economix in NYTimes.

Die Idee ist einfach: sehr grosse Finanzunternehmen werden durch eine Kombination der Rechtsvorschriften (wie z.B. Dodd-Frank von 2010) und der flankierenden Regulierung nicht mehr als TBTF wahrgenommen. Die Vorstellung mag verlockend sein, aber sie steht mit Fakten im Widerspruch. Die Wahrnehmung, dass einige Finanzinstitute TBTF sind, ist nach wie vor lebendig und munter. Will man die Wahrnehmung beseitigen, muss man die Big Banks aufspalten, hält der an der MIT Sloan School of Management lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

Der ehemalige Chefökonom des IWF zitiert dazu einen aktuellen Bericht, welcher auf Geheiss von SIFMA (Securities Industry and Financial Markets Association) veröffentlicht wurde. Die SIFMA ist eine Lobby-Gruppe für die Wertpapierbranche und macht geltend, dass TBTF effektiv beendet wurde.

Die Implikation des Berichtes ist, dass es keine Notwendigkeit besteht, die Finanzreform weiter voranzutreiben. Shaw Petrou, die Autorin des Berichtes glaubt aber nach wie vor, dass der Staat hinter grossen Bank-Holdinggesellschaften und anderen grossen Finanzunternehmen steht. Frau Petrou befasst sich im Bericht mit der Interpretation von Rechts- und Verwaltungsvorschriften.

Worauf es ankommt, ist jedoch, wie die Regulierung von Investoren im Markt wahrgenommen werden, betont Johnson. Die implizite Staatsgarantie reduziert die Finanzierungskosten  für die TBTF-Banken, weil die Investoren überzeugt sind, dass die Schuldtitel, die von Big Banks ausgegeben werden, weniger riskanter sind als die Schuldtitel, die von kleinen und mittelgrossen Banken begeben werden.

Johnson teilt daher die Ansicht von Richard Fisher und Harvey Rosenblum aus der Federal Reserve Bank von Dallas, dass TBTF unter gegenwärtigen Umständen sehr wohl noch aktuell bleibt.

Der Staat stellt faktisch eine Art Versicherung für die Finanzinstitute bereit, die sie ermutigt, noch grösser zu werden, was es noch wahrscheinlicher macht, sowohl von der Fed als auch vom Schatzamt geschützt zu werden. Das ist unfair und nicht-transparent, unterstreicht Johnson, was übermässige Risikobereitschaft fördert und potenzielle Nachteile für die nicht-finanzielle Sektoren der Wirtschaft erzeugt.

Frau Petrou hingegen deutet darauf hin, dass es neue rechtliche Hindernisse für einige Formen der Rettungsaktionen gibt. Das ist zwar richtig. Aber die allgemeine Maschinerie der Unterstützungsmöglichkeiten, z.B. durch die Fed, bleiben trotzdem intakt. Manchmal geschieht es in Form von „Liquiditätshilfe“. Aber die Linie zwischen der „Liquiditätshilfe“ und der „Hilfe für ein beinahe zahlungsunfähige Finanzunternehmen ist unscharf. Wenn die Fed nämlich die Fähigkeit hat, Asset Preise aufzublähen, wird diese Unterscheidung manchmal bedeutungslos.

Denn wenn es darum geht, eine Wahl zu treffen, zwischen einer globalen Katastrophe auf der einen Seite und einer unbeliebten und vielleicht sogar illegelan Rettungsaktion für Big Banks auf der anderen Seiten, neigen die Behörden dazu, sich zu Gunsten von Rettungsmassnahmen (bail out) für Banken zu entscheiden. Und wie Johnson betont, sind die Marktteilnehmer intelligent genug, um dies einzusehen.

Die Frage ist deshalb, wie diese Wahl obsolet gemacht werden kann oder zumindest weniger wahrscheinlicher gemacht wird, dass sie getroffen wird.

Frau Petrou vertritt die Meinung, dass die Big Banks nicht gerettet werden, nur weil die Marktteilnehmer denken, dass sie gerettet werden würden. Sie ist der Ansicht, dass die US-Behörden das US resolution regime endlich vervollständigen sollen, damit die Märkte sich neu auf die Risikofreudigkeit vorbereiten können.

In einer jüngsten Rede hat Andrew Haldane von der Bank of England (BoE) jedoch einen anderen Schwerpunkt gesetzt: Johnson teilt die Ansicht des Executive Directors der britischen Notenbank für die Finanzmarktstabilität, dass es im System mehrerer Sicherungen bedarf, anstatt sich nur auf eine Reform allzu sehr zu verlassen. Denn man weiss wirklich nicht, was sich als wirksam erweist, zumal das Finanzsystem sich ständig weiter entwickelt und die Art von Risiken sich ändert.

Haldane betont, dass es deswegen vollkommen ergänzend ist, die Grösse der grössten Finanzinstitute zu deckeln. „Wir müssen eine glaubwürdige Verpflichtung eingehen, ein Finanzinstitut scheitern zu lassen, in dem Sinne, dass es aus dem Geschäft scheidet, während Aktionäre leer ausgehen und die Verluste auf Gläubiger übertragen werden“, fügt Johnson dazu hin.

Aber jedes Versprechen für globale Mega-Banken, dass wir sie einfach scheitern lassen würden, ist auch völlig hohl. Denn standardisierte oder auch modifizierte Konkursverfahren stellen keine glaubwürdige Androhung dar, wegen der Verluste, die ausgelöst werden, für andere Finanzinstitute und das Vertrauen auf der ganzen Welt. Daher sollten Banken und andere Finanzinstitute klein genug und einfach genug gestaltet werden, damit sie scheitern können, wie von Fisher und Rosenblum herausgestrichen wird.

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