Montag, 10. September 2012

Filibuster wird zum Standardverfahren in US-Politik


Paul Krugman befasst sich in seiner lesenswerten Kolumne („Obstruct and Exploit“) am Montag in NY Times mit der zynischen Strategie der Republikanischen Partei: „blockiere alle Bemühungen zur Stärkung der Wirtschaft und dann nutze die Schwäche der Wirtschaft aus“.

Erinnert sich jemand an die American Jobs Act?, fragt der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor.  Vor einem Jahr hat Präsident Obama vorgeschlagen, die Wirtschaft mit einer Kombination von Steuersenkungen und mehr Ausgaben anzukurbeln, inbesondere was die Beschäftigung in den Bundesstaaten und auf der Ebene der lokalen Regierungen betrifft. Macroeconomic Advisers schätzt, dass die Act 1,3 Mio. Arbeitsplätze bis Ende 2012 schaffen würde.

Aber die Gesetzesvorlage kam nicht an, natürlich weil sie durch Republikaner im Kongress blockiert wurde. Man denke daran als eine zweigeteilte Strategie: Zuerst behindert man alle Bemühungen zur Stärkung der Wirtschaft, und dann schlägt man aus der Schwäche der Wirtschaft politisches Kapital. Wenn diese Strategie zynisch klingt, ist es so, weil sie zynisch ist. Doch sie ist die beste Chance der GOP, die Wahl im November zu gewinnen.

Spielen aber die Republikaner wirklich so ein zynisches Spiel? Jeder, der aufmerksam ist, weiss, dass der Zeitraum, wo die Demokraten die beiden Häuser des Kongresses kontrollierten, durch eine noch nie da gewesene Obstruktion im Senat gekennzeichnet war. Der Filibuster, ehemals eine Taktik, die für seltene Fälle vorbehalten war, wurde zu einem Standardverfahren. In Realität wird die Zeit von Obama im Büro US-Fiskalpolitik nicht vom Plan des Präsidenten, sondern durch das Mauern (Blockadepolitik) der Republikaner definiert.

Die wichtigste Konsequenz dieser Blockadepolitik war das Versäumnis, die dringend benötigte Hilfe für bundesstaatliche und lokale Behörden zu verlängern. Angesichts der fehlenden Hilfestellung waren die kommunalen Regierungen gezwungen, Hunderttausende von Lehrern und anderen Mitarbeitern zu entlassen. 

Und diese Entlassungen sind ein Hauptgrund für die enttäuschenden Arbeitsmarktdaten, erklärt Krugman. Seit dem Erreichen der Talsohle, ein Jahr nach dem Amtsantritt von Obama, ist die Beschäftigung im privaten Sektor um 4,6 Mio. gestiegen. Aber die Beschäftigung im öffentlichen Sektor, wie i.d.R. im Einklang mit dem Bevölkerungswachstum steigt, fiel stattdessen um 571‘000 Stellen.

Anders gesagt: als die Republikaner die Kontrolle im Kongress übernahmen, erklärten sie, dass ihre Wirtschaftsphilosophie „Kürzen und Wachsen“ ist: Staatsausgaben sollen gekürzt werden und die Wirtschaft wird irgendwie schon wachsen. Und dank ihrer Taktik der verbrannten Erde haben sie gekürzt, wie sie wollten, legt Krugman dar. Aber das versprochene Wirtschaftswachstum hat sich nicht materialisiert. Und jetzt argumentieren sie, dass es Obamas Schuld ist.

All das bringt das Weisse Haus in eine schwierige Lage. Es käme leicht als Jammern her, wenn die Demokraten aus der Obstruktionspolitik der Republikaner eine grosse Sache machen würden. Doch die Obstruktion ist wahr und wohl der wichtigste einzelne Grund für die anhaltende Schwäche der Wirtschaft, hebt Krugman hervor.

Was passiert aber, wenn die Strategie „behindern-und-ausnutzen“ erfolgreich wird? Ist es die Form, die die Politik annimmt? Wenn ja, dürfte Amerika viel dazu beigetragen haben, eine unregierbare Bananenrepublik zu werden.

PS:

Ad) American Jobs Act: siehe in diesem Blog auch hier und hier.

Keine Kommentare: