Samstag, 7. Juli 2012

EZB und Nullzinsgrenze


Die EZB hat am Donnerstag den Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte auf 0,75%, den Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität auf 1,50 und den Zinssatz für die Einlagefazilität auf 0,0% gesenkt.

1,50% ist der Zinssatz, zudem die Banken bei der EZB über Nacht Kredit in Anspruch nehmen dürfen. 0,0% ist der Zinssatz, zudem die Banken ihre Guthaben bei der EZB anlegen können.

Das heisst, dass die Banken, wenn sie ihre Liquidität bei der EZB parken, von jetzt an Null Prozent Zinsen gutgeschrieben bekommen. Wenn sie bei der EZB einen Kredit holen, dann müssen sie nur noch 1,5% zahlen. Bisher lag der Zinssatz bei 1,75%.

Die Senkung des Refi-Satzes unterstützt Banken mit schwachen Mitteln. Die Refinanzierungskosten über verschiedene Repo-Organisationen der EZB werden damit auf 0,75% gesenkt, was dazu führen könnte, dass die Banken ihre Zinssätze für neue Kreditnehmer senken.

Die Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität auf 0,0% bedeutet zugleich eine Bestrafung der Banken mit starken Mitteln, wie Laurence Mutkin, Morgan Stanley in seiner aktuellen Analyse beschreibt. Die Banken, die bisher von der Einlagefazilität rege Gebrauch gemacht haben, sind nun sicherlich nicht bereit, die Einlagen bei Kunden (non-banks) zu Null Prozent aufzunehmen und zu Null Prozent bei der EZB anzulegen. Das heisst im Klartext, dass die Arbitrage für die Banken von jetzt an verlustig geht.

Die Banken würden nunmehr eine Art Gebühr für die Entgegennahme von Einlagen verlangen oder andere kurzfristige Anlagen suchen, um zu investieren. Eine Wiederbelebung der Kreditvergabe wäre in diesem Fall ganz im Sinne der EZB.

EZB-Präsident Mario Draghi will nämlich mit der Senkung sowohl des Refi-Satzes als auch der Habenzinsen die schwächeren und stärkeren Teile des als „fragmentiert“ beschriebenen Bankensystems im Euro-Raum angehen.

Auf dem Interbankengeldmarkt (wholesale money market funding), wo die kurzfristige Refinanzierung der Banken stattfindet, stellt sich jetzt die Frage, wie die Reaktion auf die Nullzinsgrenze fallen wird. Wenn Repo-Sätze und Rendite von Schatzwechseln ins Negative abrutschen, käme es zu einer unmittelbaren Rückkopplung auf die Sicherheiten (collateral), die im Repo-Geschäft hinterlegt werden. Fallen die Renditen von Sicherheiten ins Minus, dann dürfte es Sinn machen, Cash zu behalten, als Sicherheiten zu hinterlegen.

Bemerkenswert ist, dass EZB-Chef Draghi am Donnerstag auf der Pressekonferenz im Anschluss des Zinsbeschlusses nicht ausgeschlossen hat, dass die Zinsen weiter gesenkt werden könnten, was die Tür für unkonventionelle geldpolitische Optionen offen lässt. Das heisst, dass auch eine mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing) für die EZB in Frage kommen dürfte.

Vor diesem Hintergrund sehen aber non-banks schlecht aus, da sie nicht einmal in der Lage wären, zu Null-Zinsen zu kommen. Es winken m.a.W. negative Realzinsen.

Aufgrund der Senkung der Einlagefazilität auf Null Prozent ist mit einer ziemlicher Sicherheit zu erwarten, dass nun viel mehr Cash in kurz laufende Anlageinstrumente fliessen wird, mit dem Ergebnis, dass negative Renditen entstehen.

JPMorgan hat daher gestern sofort mitgeteilt, dass Zahlungen und Umschichtungen in gewisse Fonds gestoppt werden, um die bestehenden Investoren "vor Verwässerung der Erträge zu schützen". Die amerikanische Investmentbank hat in diesem Zusammenhang fünf Fonds (liquiditätsbezogene) in Europa für neue Kunden geschlossen. Der Euro Liquidity Fund (via FT Alphaville) war neulich zu 41,5% in Commercial Papers investiert.

Auch Goldman Sachs (Euro Government Liquid Reserves Fund) und BlackRock (zwei Fonds) haben gestern sofort nach dem Zinsbeschluss der EZB eigene Fonds für neue Investitionen geschlossen.

Fazit: Für die Geldmärkte in Euro zeichnet sich eine Zeit mit negativen Renditen ab. Die Frage ist, wie die non-banks damit umgehen. Werden sie Gelder aus dem System herausholen? In der Schweiz ergeben sich bei Auktionen von Geldmarktpapieren mit 3 Monaten Laufzeit bereits seit einem Jahr negative Renditen. In den USA liegt fast die gesamte reale Zinsstrukturkurve von TIPS (inflationsgeschützte Staatsanleihen) im negativen Bereich.

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