Dienstag, 20. Dezember 2011

Wie schlimm sind anhaltende Handelsbilanzdefizite?

Sind anhaltende Handelsdefizite eine schlechte Sache? Unter welchen Bedingungen sind Handelsbilanzdefizite harmlos und unter welchen Bedinungen stellen sie vielleicht ein Problem dar?

The Economist fragt dazu eine Reihe von renommierten Ökonomen wie z.B. Michael Pettis, Hal Varian usw.

Mark Thoma antwortet darauf, dass ein Land, das ein Leistungsbilanzdefizit hat, sich Geld vom Rest der Welt leiht und wie bei jedem Darlehen, das Geld zu einem bestimmten Zeitpunkt in Zukunft zurückbezahlt werden muss.

Die Kosten für diese Kredite ist der Zinssatz, der bezahlt werden muss, und er stellt zugleich eventuelle Schwachstellen für spekulative Angriffe dar, die damit herkommen können, erklärt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor. Aber solange die Vorteile aus Investitionen mit dem geliehenen Geld die Kosten übersteigen, dann gibt es keinen Grund, sich Sorgen um ein Defizit zu machen. Die Gewinne aus dem Darlehen werden nämlich mehr als ausreichen, die Zinsen und das Kapital zurückzuzahlen.

Es gibt einen weiteren Grund, warum ein Land ein Leistungsbilanzdefizit einfahren würde. Zum Beispiel, wenn es eine Rezession gibt, aufgrund eines unerwartet schlechten Wetters, was die Gesamternte auslöscht, würde sich ein Land wünschen, Kredit im Ausland aufzunehmen, um den Output zu glätten und einen grossen Rückgang des Verbrauchs zu vermeiden, legt Thoma dar.

Wie Krugman und Obstfeld in ihrem Buch dazu darlegen, wäre der Preis des gegenwärtigen Outputs in Bezug auf den künftigen Output in einem Land mit geringerer Produktion höher als im Ausland, wenn es keine Kreditaufnahme gäbe, sodass der intertemporale Handel, der die Preisunterschiede eliminiert, zu gegenseitigen Vorteilen führen würde.

Damit sollte es laut Thoma klar sein, dass Handelsbilanzdefizite, zumindest vorübergehend, in vielen Fällen gerechtfertigt sind. Darauf zu bestehen, dass die Handelsbilanz immer ausgeglichen sein soll, würde bedeuten, auf die Möglichkeit zu verzichten, profitable Investitionen zu verfolgen und die Wirtschaft in schlechten Zeiten zu stabilisieren.

Doch, obwohl die derzeitigen Bedingungen ein Defizit rechtfertigen dürften, können sich Konditionen schnell verändern. Das ist eine Lektion, die viele Länder in der Eurozone kürzlich gezogen haben. Und es ist schwierig, das Leistungsbilanzdefizit schnell wieder anzupassen, um die Probleme zu vermeiden. Aus diesem Grund neigen die Regierungen dazu, lange und anhaltende Leistungsbilanzdefizite zu unterbinden.

Grosse und anhaltende Defizite dürften zum einen auch signalisieren, dass eine Regierung nicht darauf geachtet hat, das geborgte Geld klug zu investieren. Wenn das Darlehen verwendet wird, um extravagante Ausgaben zu finanzieren, und nichts tut, um die Produktionskapazität zu erhöhen, wird es für das Land schwierig, das geliehene Geld zurückzuzahlen, erläutert Thoma.

Was ist aber mit langen und anhaltenden Überschüssen? Sind sie sicher? „Wenn das Geld sinnvoll investiert wird, ja, aber es kann einen wesentlichen Teil des Reichtums eines Landes aufs Spiel setzen. Wenn diejenigen, die das Geld von Ihnen geliehen haben, nicht zahlen, kann Wohlstand verloren gehen“, schildert Thoma. Länder, die einen grossen Überschuss aufweisen, werden andererseits oft zu Recht oder zu Unrecht beschuldigt, protektionistische Wirtschaftspolitik zu verfolgen und sie werden mit potenziellen Vergeltungsmassnahmen konfrontiert. Doch in den meisten Fällen wird ein Überschuss eher akzeptiert als ein Defizit, fasst Thoma zusammen.

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