Montag, 12. Dezember 2011

EZB und Seigniorage

Die EZB weigert sich bekanntlich (zumindest seit dem Ausbruch der Finanzkrise) in aller Deutlichkeit, in der Eurozone als Zentralbank zu agieren. Die EZB lehnt die lender of last resort-Fazilität kategorisch ab. Was kann aber die Zentralbank andernfalls tun?

Vor diesem Hintergrund deutet Ilian Mihov in seinem Blog auf eine vor 18 Monaten veröffentlichte Forschungsarbeit („Games of Chicken Between Monetary and Fiscal Authority“) von Willem Buiter hin.

Prof. Buiter bemerkt, dass die EZB ihre zukünftigen Gewinne verwenden könnte, um die beschleunigte negative Dynamik in den Anleihemärkten zu stoppen. Nach seinen Schätzungen hat die EZB eine „Aufnahme-Kapazität von nicht-inflationären Verlust“ in Höhe von mindestens 2‘400 Mrd. Euro und sogar mehr als 3‘400 Mrd. Euro. Mit anderen Worten kann die EZB glaubwürdig eine Firewall (Brandmauer) von über 2‘400 Mrd. Euro in den Markt stellen, um auf diese Weise die ständig ansteigenden Renditen für spanische und italienische Schuldtitel aufzuhalten, wie Mihov schildert.

Wie funktioniert es aber? Zentralbanken führen profitable Operationen. Sie stellen Stücke von Papier aus, die sie Geld nennen, welche keine Zinsen abwerfen. Mit dem gedrückten Geld kaufen sie festverzinsliche Wertpapiere wie z.B. Staatsanleihen auf. Aufgrund der Zinsdifferenz zwischen 0% auf das Geld und der Rendite der Anleihen gelingt es Zentralbanken, jedes Jahr Gewinne zu generieren. Die eigentliche Berechnung des Gewinns (seigniorage) ist zwar ein wenig kompliziert, aber die Mechanik ist praktisch unverändert. Der Gewinn wird, selbst wenn die Inflation auf 2% (EZB-Zielgrösse) liegt, generiert.

Der an der INSEAD (The Business School for the World) lehrende Wirtschaftsprofessor schlägt den folgenden Weg vor, um Buiters Ansatz besser zu verstehen: Die EZB gibt angenommen eine Anleihe im Wert von 2‘400 Mrd. Euro heraus. Man beachte, dass das nicht gleich Geld-drucken bedeutet. Diese Anleihen hätten wahrscheinlich eine Verzinsung wie die der deutschen Bundesanleihen von 2,6% für eine Laufzeit von 30 Jahren, weil man erwarten kann, dass die EZB, wenn der Euro überlebt, diese Einnahmen aus ihrer Tätigkeit erzeugen kann.

Nach der Ausgabe der Anleihen kann die EZB eine Durchsage an die solventen Länder machen, dass die Renditen, wenn sie bei 5% sind, nicht über 5% steigen dürfen. Die Idee ist, nicht zuzulassen, dass die Renditen wegen Mangel an Vertrauen ansteigen. Wenn die Renditen über 5% liegen, dann würde die EZB die Anleihen kaufen, und zwar mit den Einnahmen, die sie durch die Ausgabe von Wertpapieren generiert.

Wenn diese Ankündigung stattfindet, und die EZB mit einigen symbolischen Ankäufen beginnt, würden die Rendite schnell sinken und auf ein nachhaltiges Niveau fallen.

Man beachte bitte, dass die EZB, wenn sie die Anleihen kauft, weitere Einnahmen generiert, und zwar aus der Differenz zwischen der Rendite der Anleihen mit 30 Jahren Laufzeit und der Rendite der italienischen Staatsanleihen, die sich zur Zeit auf 6,5% beläuft. Selbst wenn Italien scheitern sollte, die Anleihen zu bedienen, die die EZB gekauft hat, könnte die EZB die Verluste absorbieren. Deshalb nennt Buiter diese Menge an Verlust „nicht-inflationäre Verlustausgleichsfähigkeit“ der EZB.

Gibt es hier irgendeine Magie oder ein free lunch? Nicht wirklich, hebt Prof. Mihov hervor. Die Seigniorage der Zentralbanken muss per Gesetz an die Regierungen der Euro-Zone übertragen werden. Was die EZB unternimmt, ist, dass sie die zukünftigen Einnahmen der Regierungen nimmt und sie heute als Firewall einsetzt. Die Regierungen könnten sich verpflichten, diese Einnahmen in Zukunft in Anspruch zu haben. 

Die wesentliche Rolle, die die EZB in diesem Fall spielt, ist bestimmte Einnahmen auf den Tisch zu legen und dem Markt mitzuteilen, dass diese künftigen Gelder verwendet werden, um Verluste zu absorbieren oder die Schulden zu zahlen und sie nicht einfach ausgegeben werden. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die Zentralbank nicht einmal eine einzige Anleihen kaufen müsste (vgl. in diesem Sinne den Chuck Norris-Effekt der Geldpolitik: hier).

Würde die EZB so etwas wagen? Nie im Leben. Mihov bleibt daher etwas skeptisch.

1 Kommentar:

Kammerjäger hat gesagt…

Wenn der Staat eine Staatsanleihe an eine Geschäftsbank verkauft, dann nimmt sie die Anleihe in die Aktiva und bucht eine Forderung des Staates in die Passiva in Form einer Gutschrift auf dem Girokonto des Staates (In der Praxis gibt es einen Umweg über die Zentralbankkonten, aber sobald der Staat das Geld ausgibt wird des Bankengeld und ist kein Bargeld mehr). Der private Bankensektor schöpft dabei das Geld aus dem Nichts, nicht die Zentralbank.

Die Zinsen, den die Geschäftsbanken aus dem geschöpften Buchgeld beziehen ist eine privatisierte Seignorage auf die Geldschöpfung des Geschäftsbankensektors.

Theoretisch könnte die EZB die Rolle der Staatsfinanzierung auch dauerhaft vom Privatbankensektor übernehmen, sofern sie dabei nicht mengenmäßig „überzieht“. Es ist zumindest politisch nicht nachvollziehbar, warum Privatbanken für das bilden eines Buchungssatzes in der Bilanz Kreditzinsen im Milliardenhöhe gezahlt bekommen. Es ist nur das Argument des „dispziplinierenden Marktes“ das dagegen gehalten werden kann. Der Marktmechanismus ist aber für den Staat und den Steuerzahler sehr teuer.

Ist ein Aufkauf von Anleihen durch die Zentralbank in diesem Kontext Preisinflationär? Aus mehreren Gründen: Nein, sicher nicht.

Die Geschäftsbanken sind in der Praxis dabei in der Kreditvergabe nicht durch ihre Reservepflichten limitiert, sondern durch ihre Eigenkapitalunterlegung. In der Krise wurden/sind die Geschäftsbanken durch Basel III gezwungen, ihre Eigenkapitalbasis zur erhöhen, und können das durch Eigenkapitalerhöhungen oder durch Abbau von Aktiva machen. Sie haben in der Praxis sich für den Abbau der Aktiva entschieden, in der Form, sich im großen Stil von Staatanleihen zu trennen. Bei einer Eröhung der EK-Quote von 4,5% auf 9% muss die Bilansumme dabei halbiert werden!

Erstens verkürzen die Geschäftsbanken beim Rückkauf ihre Bilanz, und ziehen das emittierte Geld wieder ein. Der Zentralbankkredit ersetzt nur diesen Bankkredit, die eigentliche Geldschöpfung hat schon vorher durch die Geschäftsbanken stattgefunden.

Zweitens würde eine Preisinflation nur wirksam werden, wenn durch die vergebenen Kredite eine zusätzliche Güternachfrage geschafften würde, das ist hier nicht der Fall, da es sich häufig nur um Prolongation (iSv rollen der Kredite) bestehender Kreditlinien der Staaten handelt.

Die potenziell preistreibende Geldmengenvermehrung hat also schon über die Jahre durch den privaten Bankensektor stattgefunden, und wird jetzt parallel zum Zurückfahren der Kreditmenge in Privatbankensektor durch die EZB ersetzt.