Freitag, 25. November 2011

Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP

Eine Möglichkeit, um die Fähigkeit des Schuldendienstes zu messen, ist die Berechnung des Verhältnisses der Verschuldung im Vergleich zum Einkommen (debt-to-income-ratio), schreibt David Andolfatto in seinem Blog.

Wenn Sie z.B. über ein Einkommen von 50‘000$ pro Jahr verfügen und Ihr Haus 200‘000$ Wert ist und Sie einen Hypothek ihn Höhe von 150‘000$ haben, ist Ihr debt-to-income ratio 150/50=3 oder 300%.

Die Staatsquote (Verschuldung im Vergleich zum BIP) ist ebenso eine Möglichkeit, um die Fähigkeit eines Landes zum Schuldendienst zu messen. Das Verhältnis der US-Verschuldung zum BIP (debt-to-GDP) beträgt heute rund 100%.

Natürlich sind viele Menschen nicht wegen der Höhe der Verschuldung, sondern des Verlaufs besorgt. Der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP kann nicht ewig steigen.

Auf der anderen Seite gibt es einige Hinweise darauf, dass die Quote praktisch viel höher steigen kann. Doch bevor Andolfatto weiter argumentiert, möchte er eine fehlgeleitete Analogie klarstellen. Die irreführende Analogie ist so, dass der Staat Schulden anhäufe, wie ein Haushalt Kreditkarten-Schulden anhäufe.


Staatsverschuldung und TIPS (inflationsindexierte US-Staatsanleihen), Graph: Prof. David Andolfatto

„Wenn Sie do denken, dann frage ich Sie, auf welche Ihrer Kreditkarten 0% Zinsen berechnet werden?“, so der and er Simon Fraser University lehrende Wirtschaftsprofessor. Warum? Weil es der Zinssatz ist, zudem die Gläubiger auf der ganzen Welt bereit sind, dem amerikanischen Staat Geld zu leihen. Würde eine Kreditkartenfirma beginnen, die Sollzinsen auf Ihre Kreditkarte zu verringern, weil Sie schrittweise mehr Schulden machen? Andolfatto deutet m.a.W. auf die Unterscheidung zwischen einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaflicher Logik, die nicht verwechselt werden dürfen.

In der Tat sind die Bedingungen sogar viel besser als 0%. Die realen Kosten der Kreditaufnahme werden durch den realen (um die Inflation bereinigten) Zinssatz gemessen. Wie die folgende Abbildung zeigt, sind die realen Kreditkosten für den amerikanischen Staat in den letzten 10 Jahren zurückgegangen. Die amerikanische Regierung kann sich zu Null Realzinsen für 10 Jahre verschulden. Die realen Zinskosten der Kreditaufnahme für 5 Jahre betragen sogar negativ.


US TIPS Rendite (inflationsgeschützte US-Staatsanleihen), Graph: Prof. David Andolfatto

Ein negativer Realzins ist eine ziemlich coole Sache: Stellen Sie sich vor, Sie importieren heute 100 Flaschen Bier aus China und senden im folgenden Jahr 99 Flaschen zurück. Das heisst, bleiben die Realzinsen in den nächsten 12 Monaten unverändert, bekommen Sie nächstes Jahr eine Flasche Bier gratis. 

Sie machen also mit dem Roll-over der Schulden einen Gewinn. Es ist jedoch so, dass die sehr niedrigen Realzinsen schlechte Nachrichten darstellen.

Der Leiter der Research Division der Fed St. Louis beschreibt das Phänomen so, dass eine massive Substitution weg von vielen Anlageklassen ab in die US-Staatsanleihen stattfindet: eine fundamentale Kraft auf dem Markt, die die Zinsen ins Negativ treibt. Das Phänomen hat also mit der Geldpolitik der US-Notenbank oder der Politik des US-Schatzamtes wenig zu tun.

Laut Andolfatto hat das Phänomen in den frühen 1990er Jahren begonnen, und zwar mit dem Zusammenbruch des japanischen Aktienmarktes. Dann die Mexiko-Krise (1994), die Asien-Krise (1997-98), Russland-Krise (1998), Brasilien (1999), wie Ben Bernanke erläutert. Die Investoren wurden nach und nach pessimistisch, was die Erträge in diesen Ländern betrifft. Daraus folgten Kapitalabflüsse in relativ sichere Häfen, wie in die USA.

Die Grundthese ist hier, was Ricardo Caballero einen „globalen Mangel an Vermögenswerten“ (global asset shortage) nennt.

Fazit: Angesichts der pessimistischen Aussichten scheint es unklar, was die Geldpolitik (die Fed) leisten kann, niedrig verzinsliche Währung in zinsgünstige Staatsanleihen (US-Treasury Bonds) zu tauschen. Andolfatto glaubt jedoch, dass es eine Rolle für das US-Schatzamt geben könnte. Vor allem angesichts des riesigen weltweiten Appetits auf US-Treasury Bonds, wie es durch die absurd niedrigen Renditen widerspiegelt wird. Es ist die Zeit, damit zu beginnen, diese Nachfrage anzupassen (akkommodieren). Anderfalls würden die Realzinsen zu diesem Zeitpunkt noch tiefer gehen, möglicherweise via Deflation.

Andolfatto fügt hinzu, dass es Infrastrukturprojekte gibt, die mehr als Null Ertrag abwerfen. „Wenn nicht, dann sind wir in einer grossen Schwierigkeit“.

Für eine Weltwirtschaft, von der zu erwarten ist, dass sie wächst, bedeuten negative Realzinsen eine dynamische Ineffizienz. Kurz gesagt ist es Zeit, mit der Erhöhung der Realzinsen zu beginnen, nicht mit der Senkung: Realzinsen steigen theoretisch, wenn neue Schulden der öffentlichen Hand private Investitionen verdrängt (crowding out). Neue Schulden können verwendet werden, um Steuersenkungen für Unternehmen zu finanzieren, um die Investitionen anzukurbeln, wenn dies gewünscht wird, erläutert Andolfatto.

Die Theorie besagt natürlich, dass die Regierung auch bereit sein muss, diese empfohlene Schuldenexpansion rückgängig zu machen, sobald die inländische Wirtschaft und die Weltwirtschaft wieder zu Normalität zurückkehren.

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