Montag, 21. November 2011

Euro-Technokraten: langweilige, unbarmherzige Romantiker

Es gibt ein Wort, das in letzter Zeit immer wieder zu hören ist: „Technokrat“. Manchmal ist es wie ein Ausdruck der Verachtung in Bezug auf die Schöpfer des Euro: Es wird gesagt, es sind die Technokraten, die gescheitert sind, die menschlichen und kulturellen Faktoren in Erwägung zu ziehen. Manchmal ist es ein Ausdruck des Lobes: die neuen Premierminister von Griechenland und Italien werden als Technokraten beschrieben, die sich über die Politik hinaus erheben und tun werden, was getan werden muss, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Montagskolumne („Boring Cruel Romantics“) in NYT.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor ruft daher nach foul. Er kenne Technokraten. Manchmal spiele sogar er selbst einen Technokraten. Und diese Leute, die Europa schikaniert haben, eine gemeinsame Währung anzunehmen, sind Leute, die nun sowohl Europa als auch die USA schikanieren, Austerity (rigorose Sparmassnahmen) anzunehmen, sind nicht Technokraten. Sie sind vielmehr tief unbrauchbare Romantiker.

Sie stellen eine besonders langweilige Art von Romantik dar, geschwollene Prosa statt Poesie sprechend. Und die Dinge, die sie im Namen ihrer romantischen Visionen fordern, sind oft grausam, verbunden mit grossen Opfern für gewöhnliche Arbeiter und Familien, schildert Krugman.

Und um die Weltwirtschaft zu retten, müssen diese gefährlichen Romantiker von ihren Sockeln gestürzt werden.

„Wenn Sie denken, dass dies ein Projekt war, welches durch eine sorgfältige Berechnung von Kosten und Nutzen angetrieben wurde, dann liegen Sie falsch“, legt Krugman in Bezug auf die Einführung des Euro dar.

Die Wahrheit ist, dass Europas Weg zu einer gemeinsamen Währung von Anfang an ein zweifelhaftes Projekt war, was eine objektive wirtschaftliche Analyse betrifft. Die Volkswirte des Kontinents waren zu verschieden, reibungslos mit einer „one-size-fits-all“-Geldpolitik zusammenzuarbeiten und zu ähnlich, „asymmetrische Schocks“ zu erfahren, wo einige Länder zusammenbrachen, während andere blühten. Und im Gegensatz zu US-Bundesstaaten waren die europäischen Länder nicht Teil einer einzigen Nation mit einem einheitlichen Haushalt und einer Arbeitsmarktpolitik, die durch eine gemeinsame Sprache gebunden ist.

Warum drängen die „Technokraten“ aber so hart für den Euro, indem sie Warnungen der Ökonomen missachten? Zum Teil war es der Traum der europäischen Führung, was die Eliten des Kontinents so verführerisch finden. Und zum Teil war es ein Sprung des ökonomischen Glaubens, angetrieben durch den Willen, zu glauben, dass alles klappen würde, solange Staaten den viktorianischen Tugenden der Preisstabilität und der fiskalischen Umsicht folgen würden.

Es ist traurig, zu sagen, dass es wie versprochen nicht geklappt hat. Aber anstatt die Realität anzupassen, haben die vermeintlichen Technokraten den Einsatz verdoppelt, darauf bestehend, dass z.B. Griechenland durch wilde Sparpakete (austerity) einen Zahlungsverzug (default) vermeiden würde.


Krugman hebt Insbesondere die EZB hervor, die ja angeblich die ultimative technokratische Institution sein soll, und welche besonders bemerkenswert war, die Zuflucht in der Phantasie zu suchen, als die Dinge schief gingen. Im Vorjahr hat die EZB beispielsweise ihren Glauben an die Vertrauen Fee (confidence fairy) bekräftigt, was sonst nirgendswo passiert ist.

Und jetzt, während Europa in der Krise steckt, eine Krise, die nicht eingedämmt werden kann, bis die EZB Schritte unternimmt, den Teufelskreis des finanziellen Zusammenbruchs zu unterbinden, erklärt Mario Draghi, der neue EZB-Präsident, dass die Verankerung der Inflationserwartungen der grosse Beitrag sei, den die EZB liefere, um ein nachhaltiges Wachstum zu fördern und die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Finanzstabilität zu stützen.

Das ist laut Krugman eine ganz fantastische Behauptung zu einer Zeit, wo die Inflationserwartungen zu niedrig sind und in den Märkten die Angst vor einem finanziellen Kollaps brodelt.

Um es klarzustellen, betont Krugman, dass dies keine anti-europäische Wutrede ist, da auch die USA ihre eigene Pseude-Technokraten hat, die die politische Debatte verzerren.

Ist Krugman gegen Technokraten? Nein, überhaupt nicht.  Er möge Technokraten. „Technokraten sind Freunde von mir“, unterstreicht der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008). „Was wir brauchen, sind technisches Know-how, um wirtschaftliche Probleme anzugehen“.

„Unser Diskurs wird aber von Ideologen und Denkern (langweiligen, unbarmherzigen Romantikern)  stark verzerrrt, die angeben, Technokraten zu sein. Und es ist Zeit, ihre Anmassungen durchzustechen“, fasst Krugman als Fazit zusammen.

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