Sonntag, 7. August 2011

Defizitproblem: mittelfristig versus langfristig

Inmitten all der Schulden-Hysterie wirft Paul Krugman in seinem Blog einen Blick auf die aktuelle Mathematik, weil die Zahlen besagen, dass die Grösse des Defizits in den nächsten Jahren kaum eine Rolle für die US-Finanzlage spielt. Und in der Tat kommt es auf die Grösse im nächsten Jahrzehnt nicht an.

Der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor beginnt mit Zinsen: Was für die Tragfähigkeit der Schulden entscheidend ist, ist der Realzins, weil es darauf ankommt, den Realzins, nicht die nominalen Schulden, vor dem Wachstum zurückzuhalten. (PS: Die Schulden des Zweiten Weltkriegs sind nicht abbezahlt, sondern real bis zu dem Punkt, wo es trivial war, erodiert worden).

Gemessen an der Rendite der US-Treasury Bonds mit 30 Jahren Laufzeit können die USA den realen Zinssatz auf 1,25% absichern. Das heisst, dass eine Billion Dollars (1‘000 Mrd. $) an zusätzliche Verschuldung 12,5 Mrd. $ zusätzliche reale Zinszahlung bedeuten, erklärt Krugman.


USA: das reale Potenzialwachstum (BIP), Graph: Fed St. Louis, FRED

Inzwischen schätzt das CBO das potenzielle real BIP für 2021 auf rund 18‘000 Mrd. $ oder 19‘000 Mrd. $ in 2011 Dollars.

Setzt man die Zahlen zusammen, stellt sich heraus, dass eine zusätzliche Kreditaufnahme um 1‘000 Mrd. $ den künftigen Schuldendienst um etwa 0,07% des BIP erhöht. Die 4‘000 Mrd. $, die laut S&P notwendig sind, kommen auf weniger als 0,3% des BIP gleich, hält Krugman fest. Diese Zahlen sind nicht erfunden. Kommt es also darauf an?

Amerika hat ein langfristiges fiskalisches Problem, getrieben durch die Kombination von steigenden Gesundheitskosten, einer alternden Bevölkerung, und der mangelhaften Bereitschaft, Steuern zu erheben, bekräftigt Krugman.

Es steht fest, dass schlechte Dinge passieren, wenn dieses Problem nicht in den Griff bekommen wird. Was aber mit dem Defizit mittelfristig geschieht, ist beinahe irrelevant im Hinblick auf die Frage, wie die langfristigen Finanzen unter Kontrolle zu bringen sind, legt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises dar.

Doch S&P und andere sind von mittelfristigen Zahlen besessen, ohne jemals zu erklären, warum. Vielleicht, weil sie denken, dass es eine kritische Höhe der Verschuldung gibt. Aber sie wissen es nicht, was, argumentiert Krugman weiter. Vielleicht denken sie, dass die strengen Sparmassnahmen (fiscal austerity) in den nächsten 10 Jahren irgendwie gutes Verhalten garantieren werden. Das hat aber bis in den 1990er Jahren nicht funktioniert.

Fazit: Der Punkt ist laut Krugman, dass die Mathematik, während S&P versucht, Eindruck zu hinterlassen, dass sie mathematisch (was unvollständig ist) vorgeht, im Grunde genommen die Position der Ratingagentur gar nicht unterstützt.

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