Freitag, 6. Mai 2011

Portugal und Zinskonvergenz im Euroraum

Portugal hat im Gegensatz zu Spanien, Griechenland und Irland, die im Jahrzehnt vor der Finanzkrise schneller als der EU-Durchschnitt gewachsen sind, vor dem Beitritt in die EWU nur eine kurze Zeitperiode einer relativ stabilen Expansion erlebt. Und seither schneidet das Land schlecht ab. Portugals Wirtschaft ist insbesondere in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre um mehr als 4% jährlich gewachsen. Das mag zumindest teilweise mit dem weniger fortgeschrittenen Stadium der portugiesischen Wirtschaft (catch-up growth: Aufholwachstum) zu tun gehabt haben, argumentiert Daniele Antonucci von Morgan Stanley in einer gestern vorgelegten Analyse. Zudem dürften die Geldzuflüsse aus den diversen EU-Strukturfunds zum portugiesischen Wachstum beigetragen haben. Und auch der starke Rückgang der Zinssätze (convergence trade) stellt sicherlich einen weiteren Faktor dar.


Zinskonvergenz im Vorfeld der Europäischen Währungsunion (EWU), Graph: Daniele Antonucci, Morgan Stanley

Der private Verbrauch und Investitionen waren von 1996 bis 2000 die wichtigsten Wachstumstreiber. Der private Konsum ist im Durchschnitt um 4,3% gestiegen, fast doppelt so schnell wie im Euroraum. Und Anlageinvestitionen sind über 8% jährlich gewachsen. Am Ende der 1990er Jahre hat sich das portugiesische BIP-Wachstum schneller als der EU-Durchschnitt beschleunigt.

Allerdings hat sich der Mini-Boom angesichts der schwachen Wettbewerbsfähigkeit des Landes und eines hoch verschuldeten privaten Sektors nicht fortsetzen können, schildert Antonucci.

Die öffentlichen Finanzen waren in Portugal nicht besonders beeinträchtigt. Trotz einer Aufwärtskorrektur des Haushaltsdefizits von 7,3% auf 9,1% des BIP im April hat Portugal das kleinste Budgetdefizit an der EU-Peripherie. Auch die portugiesische Staatsverschuldung mit 91% des BIP ist nicht allzu anders als die Staatsquote Frankreichs oder Griechenlands, Irlands und Italiens.

Warum sind aber die Märkte um Portugal so besorgt? Die Antwort lautet Wachstumsaussichten. Portugals Wirtschaft dürfte in diesem Jahr um 2,5% schrumpfen, schätzt Antonucci ein. Warum? Austerity Politik, d.h. die von der EU empfohlenen fiskalischen Sparmassnahmen.


Portugals milde Rezession, Graph: Daniele Antonucci, Morgan Stanley


Portugals fiskalische Probleme haben mehr mit dem Nenner zu tun als mit dem Zähler. Das heisst: ein schwaches BIP-Wachstum als zu viel Staatsverschuldung.

Portugal hat v.a. ein Leverage-Problem. Die hohe Verschuldung des privaten Sektors ist ein grosses Problem.

Die Konvergenz der Zinsen in der EWU war ein wichtiger Treiber des kreditfinanzierten Konsum-Booms und des Aufbaus der Schulden im privaten Sektor. Die privaten Haushalte haben sich nicht nur übermässig verschuldet, sondern sie haben auch die Sparquote radikal reduziert. Die portugiesische Sparquote des verfügbaren Einkommens ist von rund 13% im Jahre 1995 auf 10% vor dem Beitritt in die EWU gefallen. Und dann bildete sich die Sparquote weiter bis auf 7% im Jahre 2007 zurück. Nun hat sie sich wieder auf rund 11% erhöht.

Der private Sektor ist in Portugal nach wie vor hoch verschuldet, wo die Summe der Schulden der privaten Haushalte und der Unternehmen 235% des BIP beträgt. Das heisst viel höher als der Euroraum-Durchschnitt von 170%. Portugal ist hinter Irland die am stärksten verschuldete Wirtschaft im Euroraum.

Fazit: Was jetzt für Portugal vorliegt, ist wahrscheinlich eine lange Zeit des Schuldenabbaus (deleveraging) und der Bilanz-Reparaturen. Es ist also nicht die öffentliche Hand, die sich übernommen hat, sondern der private Sektor. Wer heute expansive Fiskalpolitik als Ursache der Finanzkrise darstellt, verkennt die Tatsachen und will damit die Öffentlichkeit bewusst täuschen.

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