Montag, 19. April 2010

Plünderer in Mokassin

Der Skandal um Goldman Sachs sorgt für Beben an der Wall Street und in der Öffentlichkeit. Es herrscht Entsetzen und Unsicherheit. Auch Paul Krugman’s Hauptaugenmerk gilt in seiner Montagskolumne in NYT den Betrugsvorwürfen der amerikanischen Börsenaufsicht gegen die US-Investmentbank. Krugman redet von „Gucci-Mokassin Jungs“ bei Goldman Sachs, die in „Weiss-Kragen“-Plünderung verwickelt worden sind. Der Nobelpreisträger verwendet den Begriff „Plünderung“ im Sinne der Definition der Ökonomen George Akerlof und Paul Romer in einer Abhandlung aus dem Jahr 1993 mit dem Titel „Looting. The Economic Underworld of Bankruptcy for Profit“ (freiübersetzt: Plünderung: Die Wirtschaftsunterwelt von Konkurs für Gewinn). Das Papier war damals am Anschluss der „Savings and Loan“-Krise der Reagan-Jahre geschrieben. Das Hauptargument lautete, dass die Krise das Ergebnis vorsätzlichen Betrugs war. Gilt dasselbe auch für die gegenwärtige Krise?

Die Diskussion über die Rolle des Betrugs in der Krise hat sich auf zwei Formen von Täuschung konzentriert: (1) Räuberische Kreditvergabe und (2) Falsche Darstellung (misreprasentation) von Risiken, so Krugman. Einige Kreditnehmer waren offensichtlich angelockt worden, komplexe, teuere Kredite in Anspruch zu nehmen, die sie nicht verstanden haben, erklärt Krugman. Das war ein Prozess, der in der Bush-Ära durch die Regulierungsbehörden erleichtert wurde, bemerkt Krugman dazu. Die Subprime-Kreditgeber haben den grössten Teil der Kredite, die sie vergeben haben, nicht in den eigenen Büchern behalten. Stattdessen wurden die Kredite an Investoren weiter verkauft. In einigen Fällen sicherlich wissend, dass das Potenzial für künftige Verluste grösser war, als die Leute, die diese Darlehen aufgenommen haben, je realisiert hätten, erklärt Krugman. Nun sehen wir aber eine dritte Form von Betrug. Anschuldigungen der US-Börsenaufsicht zufolge wurden Wertpapiere bewusst so gestaltet und vermarktet, dass sie ausfielen. „Das nenne ich Plünderung“, schreibt Krugman. Nach Angaben von ProPublica werden mehrere Banken beschuldingt, solche Wertpapiere konstruiert zu haben. Welche Rolle spielte der Betrug in der Finanzkrise? Weder die räuberische Kreditvergabepolitik noch der Verkauf von Hypotheken mit Vorspiegelung falscher Tatsachen haben die Krise verursacht, aber sie haben sie verschlimmert, so Krugman. Ein „unabhängiges Verbraucherschutz-Bureau“ hätte räuberische Kreditvergabe beschränken können, argumentiert Krugman weiter. Die wichtigste Lehre aus der Klage gegen Goldman Sachs ist, obwohl es nicht um das Kleingedruckte der Finanzreform geht, die dringende Notwendigkeit, die Wall Street zu ändern, so das Fazit von Paul Krugman.

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