Freitag, 22. Mai 2009

Grossbritannien: Ratingagenturen drohen mit Bonitätskürzung

Grossbritannien (GB) ist das erste grosse Industrieland, dem im Sog der anhaltenden Weltwirtschaftskrise der Verlust der erstklassigen Bonitätsnote droht. Die Ratingagentur Standard & Poor’s kündigte gestern an, Kreditwürdigkeit Grossbritannien zu überprüfen. Grund: Staatsverschuldung steige auf 100% des BIP. Der mittelfristige Rating-Ausblick für GB wurde nun erstmals seit 1978 von „stabil“ auf „negativ“ heruntergestuft. Irland, Griechenland, Portugal und Spanien haben bereits im Verlauf der Finanzkrise ihr AAA-Rating verloren.

GB steckt in der schwersten Rezession seit Jahrzehnten. Das BIP schrumpte im ersten Quartal annualisiert um 1,9%. Laut dem britischen Schatzkanzler werden die Verbindlichkeiten der öffentlichen Hand in den kommenden 5 Jahren auf 1'400 Mrd. Pfund steigen.

Die Warnung der S&P hat die Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks belastet. Die Reaktion fiel jedoch mild aus, da die News offenbar bereits antizipiert waren. Die entscheidende Frage ist aber, wie die Anlageentscheidungen davon betroffen werden? Bekanntlich gehören die US-Treasuries zu den sichersten und liquidesten Anleihen der Welt. Die Papiere haben ihre besondere Eigenschaft auch in der schwersten Krise seit der Grossen Depression 1929/30 bravourös bewahrt. Es gibt daher kaum Zweifel daran, dass die US-Staatsbonds ihren Stellenwert als Hort der Sicherheit in naher Zukunft nicht einbüssen werden.

Die ökonomischen Kosten der Finanzkrise sind im historischen Vergleich gewiss beispiellos hoch. Die bestbezahlten Leute des Finanzsystems waren nicht fähig und willig, mit Risiken verantwortungsvoll umzugehen, wie Martin Wolf heute in Financial Times festhält. Der Finanzsektor hat die Kosten,die durch toxic assets ausgelöst wurden, „geschickt“ externalisiert. Der Preis der Untätigkeit wäre aber auf der anderen Seite aus Sicht der Staaten viel höher gewesen. Die Ratingagenturen sind die einzigen Mitschuldigen an der Finanzkrise, die ungeschoren davon gekommen sind, wie Peter Bofinger in seinem neuen Buch („Ist der Markt noch zu retten?“, Econ Verlag) zu Recht ankreidet. Je mehr Testate sie für giftige Finanzinnovationen vergeben haben, desto mehr haben sie verdient. Das Problem einer verlässlichen Bonitätsbewertung ist heute noch immer nicht gelöst. Es steht auf alle Fälle fest, dass die Ratingagenturen ihre Kreditwürdigkeit verloren haben.

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